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TRIER. Am morgigen Donnerstagabend wird im Museum am Dom die Ausstellung „… geschrieben auf Munitionskisten. Ikonen gegen den Krieg“ feierlich eröffnet. Zu sehen sind Werke zweier ukrainischer Künstler, die Deckel und Böden von Munitionskisten aus dem Kriegsgebiet mit Ikonen bemalt und so Fundstücke des Todes in Symbole des Lebens verwandelt haben. Die Ausstellung wird ergänzt durch Werke aus der umfangreichen Ikonensammlung des Museums am Dom, so dass ein Einblick in die vielfältigen Facetten der Ikonenmalerei entsteht.
Von Alexander Scheidweiler
„Ikonen sind immer wieder ein Thema, das viele Besucher interessiert“, sagt Markus Groß-Morgen. Der Direktor des Trierer Museums am Dom steht in einem Ausstellungsraum voller Ikonen und erläutert Konzept und Hintergründe der Ausstellung „… geschrieben auf Munitionskisten. Ikonen gegen den Krieg“, die am morgigen Donnerstagabend, 20.4., um 18.30 Uhr feierlich eröffnet wird. Neben dem Trierer Bischof Stephan Ackermann wird auch der Exarch der griechisch-katholischen Kirche des byzantinischen Ritus, Bohdan Dzyurakh, ein Grußwort sprechen. Das Duo Nova music, bestehend aus Julia und Oleg Kurchenkov, die aus Mariupol stammen und seit vergangenem Jahr in Deutschland sind, wird die Veranstaltung mit ukrainischen Folksongs umrahmen.
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Es sei auch spürbar, dass das Ikonen-Schreiben als spirituelle Auseinandersetzung mit der Kunst die Menschen fasziniere, fügt Ludwig Kuhn, Leiter der Diösesanstelle Weltkirche des Bistums Trier hinzu. Immer wieder würden Kurse angeboten, in denen Interessierte das Ikonen-Schreiben als spirituellen Weg für sich entdeckten. Die Diözesanstelle Weltkirche präsentiert die Ausstellung gemeinsam mit dem Museum am Dom und dem Referat Weltkirche des Erzbistums Bamberg im Rahmen der diesjährigen Heilig-Rock-Tage, die am Freitag beginnen. Tatsächlich spricht man in der sehr traditionsreichen Kunst der Ikonenmalerei, die einem klaren Regelkanon folgt, davon, dass Ikonen „geschrieben“ werden. Dabei gehe es „nicht um die kreative Schaffung eines neuen Kunstwerkes“, erläutert Kirstin Jakob, Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Dommuseum: „Es ist wirklich eine religiöse Übung, die man vollzieht, und man bleibt ganz klar dem Vorbild verhaftet.“
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Man könne dies auch an den Ikonen der Ausstellung nachvollziehen, z.B. an zweien, die den Heiligen Nikolaus darstellen: Obwohl zwei Jahrhunderte zwischen den beiden gezeigten Werken liegen, ist die Darstellung des Heiligen mit den markanten Geheimratsecken, schmaler, gerader Nase, weißem Bart und Pallium erstaunlich konstant. Die Ikonographie habe sich bereits in frühchristlicher Zeit entwickelt, wie man an Darstellungen auf Sarkophagen erkennen könne, fügt Groß-Morgen hinzu, und sei in Ost- und Westkirche gleich gewesen, auch wenn die Ikonenmalerei mit dem byzantinischen Kulturraum verbunden ist. Die ältesten, noch erhaltenen Ikonen stammen aus dem sechsten Jahrhundert, erklärt Jakob. Die byzantinische Form der Sakralkunst kam später in die Kiewer Rus, auf die sowohl die heutige Ukraine wie auch Russland und Belarus zurückgehen, ein Umstand, der für die Trierer Ausstellung bedeutsam ist.
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Denn bei den gezeigten Werken handelt es sich, wie der Ausstellungstitel „… geschrieben auf Munitionskisten“ aussagt, um Ikonen, die auf Deckel und Böden von Munitionskisten gemalt bzw. geschrieben wurden. Bereits während des Donbas-Krieges im Jahr 2014 sah der Kiewer Künstler Oleksandr Klymenko tagtäglich vom Fenster seines Ateliers aus Krankentransporte, die Verwundete in ein Militärhospital brachten. Klymenko reiste an die Front, um sich selbst ein Bild von der Lage zu machen. Dort fand er zahlreiche Munitionskisten, die die russische Armee zurückgelassen hatte. Der Künstler entschied sich, die Kisten als Malträger für Ikonen zu verwenden und so Fundstücke des Todes in Symbole des Lebens zu verwandeln.
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Klymenko und die gleichfalls aus Kiew stammende Künstlerin Sofia Atlantova haben die meisten der gezeigten Ikonen geschaffen. Die beiden Künstler sprechen dabei selbst von einem Kreislauf, den sie schaffen, indem sie etwas, das den Tod bringt, in etwas Lebensbejahendes verwandeln, erklärt Kristin Jakob. Und dies ist nicht nur symbolisch zu verstehen: Über die Homepage „Buy an Icon – Save a Life“ verkaufen die Künstler ihre Ikonen zugunsten des mobilen Hospitals „Pirogov First Volunteer Mobile Hospital (PFVMH)“, das als NGO sowohl Soldatinnen und Soldaten als auch Zivilistinnen und Zivilisten in den Kriegsgebieten der Ukraine versorgt. Über 300.000 Euro sind durch die Ikonenverkäufe bereits für das Hospital und seine freiwilligen Sanitäterinnen und Sanitäter zusammengekommen.
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An insgesamt über 90 Ausstellungsorten in 13 Ländern waren die Munitionskisten-Ikonen des Künstler-Duos mittlerweile zu sehen, von Krynica in Polen über Wien, Paris und Rom bis nach Chicago und Los Angeles. In Deutschland waren sie zuletzt in Bamberg und Magdeburg zu sehen. Für seine Ausstellung ergänzte das Museum am Dom die Ikonen der ukrainischen Künstler mit Werken aus der eigenen Sammlung, die laut Markus Groß-Morgen rund 200 Werke umfasst. Unter den ergänzend hinzugefügten Ikonen befinden sich auch russische und griechische. Die Abgrenzung falle ohnedies schwer, so Jakob, zumal es vom 10. Jahrhundert bis zum Fall Konstantinopels 1453 eine starke Orientierung der Kiewer Rus nach Byzanz gegeben habe.
Verbindungen zwischen Trier und der Ukraine gibt es übrigens einige, wie Groß-Morgen ausführt, sowohl historische wie auch gegenwärtige: Schon im 10. Jahrhundert schickte Otto der Große den Heiligen Adalbert von Magdeburg, der Benediktinermönch in St. Maximin gewesen war, als Missionar ins Gebiet der Kiewer Rus. Im 12. Jahrhundert kam dann der von Bischof Egbert in Auftrag gegebene Egbert-Psalter, der sich heute in Cividale befindet, als Geschenk nach Kiew und blieb dort zwei Jahrhunderte lang. Seit 1990 unterhält das Bistum zudem enge Kontakte in die Ukraine, ergänzt Kuhn. So besuchte Bischof Ackermann erst im Februar als Zeichen der Solidarität die Partner im ukrainischen Ivano-Frankivsk, wohin auch eine Partnerschaft der Trierer Malteser besteht.
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Die Auswahl der Ikonen aus den eigenen Beständen wurde so getroffen, dass die Besucher möglichst viele unterschiedliche Aspekte er Ikonenmalerei kennenlernen. Dabei fällt ins Auge, dass Klymenko und Atlantova bewusst auf die aufwendige Grundierung der historischen Ikonen verzichten, so dass das Material der Munitionskisten erkennbar bleibt, welches die Spuren der Benutzung aufweist und noch mit den Metallscharnieren versehen ist, die die Kisten mit ihrer todbringenden Fracht zusammenhielten. Erde und Asche aus den Kriegsgebieten wurden den Farben beigemischt, mit denen die Ikonen gemalt wurden.
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Den Auftakt des Rundgangs bilden programmatisch der Heilige Demetrius von Thessaloniki als Schutzpatron der Soldaten und eine Mater Dolorosa mit sieben Schwertern – dieser Ikonentyp soll Haus und Familie vor Unheil bewahren. Einen Schwerpunkt der Ausstellung bilden Ikonen, die die antiken Wüstenväter wie den Heiligen Antonius Eremita darstellen, deren Leben in der Wüste symbolhaft für die Entbehrungen der ukrainischen Soldaten in der Gegenwart steht. Ferner sind sog. „Vita-Ikonen“ zu sehen, die Szenen aus dem Leben des jeweiligen Heiligen darstellen, eine Christus-Ikone mit Oklat – also einer Silberummantelung, die das Gesicht frei lässt, so dass die Ikone von den Gläubigen küssend verehrt werden kann, ohne dass die Bemalung Schaden nimmt – und eine Kalenderikone, auf der 120 von rund 600 bekannten ikonographischen Marientypen dargestellt sind und die durch das komplette Kirchenjahr führt, jeweils mit den entsprechenden Heiligen. Ein wirklich breites Spektrum also.
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Durchdacht aufbereitet, wurden der Ausstellung nicht nur erläuternde Texte für Erwachsene, sondern auch solche für Kinder beigegeben, die durch ihre runde Umrandung erkennbar sind. Alle Erläuterungen sind in deutscher und in ukrainischer Sprache. Im Rahmenprogramm der Ausstellung werden offene Führungen sonntags um 14 Uhr und dienstags um 16 Uhr angeboten. Für Schulklassen aus Trier und dem Kreis Trier-Saarburg ist der Ausstellungsbesuch kostenfrei. Im Rahmen der Heilig-Rock-Tage laden die Diösesanstelle Weltkirche und die Malteser zudem zu Friedensgebeten am 24. April im Dom sowie am 22. und 27. April in der Athanasius-Kapelle (jeweils 16.00 Uhr) ein, die in einer zweiten Station in der Ausstellung abgeschlossen werden.
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Die Ausstellung „… geschrieben auf Munitionskisten. Ikonen gegen den Krieg“ ist im Museum am Dom bis zum 21. Mai zu sehen, jeweils dienstags bis samstags von 9 bis 17 Uhr und sonntags von 13 bis 17 Uhr. Weitere Informationen auf der Seite des Museums unter www.museum-am-dom-trier.de.