
TRIER. Am gestrigen Samstagabend eröffnete der Theater- und Karnevalsverein Blau-Weiß Ehrang die Saison 2025 im Bürgerhaus Ehrang mit der Komödie „Das Erbe von Fräulein Seifer“, die viele augenzwinkernde Bezüge zu Ehranger Originalen aufweist. Eine starke schauspielerische Leistung des Ensembles und ein Stück mit vielen witzigen Wortgefechten strapazierten die Lachmuskeln und erfreuten das Premierenpublikum.
Von Alexander Scheidweiler
Die Stimmung war hervorragend im Ehranger Bürgerhaus am gestrigen Samstagabend. Als im dritten Akt der Komödie „Das Erbe von Fräulein Seifer“, mit deren Premiere die Laienschauspieltruppe des traditionsreichen Theater- und Karnevalsvereins Blau-Weiß Ehrang ihre diesjährige Spielzeit eröffnete, kurz der Helene Fischer-Hit „Atemlos“ eingespielt wird, klatscht ein gut gelauntes Premierenpublikum enthusiastisch mit.
„Dinner for One“ à la Ehrang
Doch der Reihe nach. Die Komödie von Andreas Wening in der Bearbeitung von Theaterleiterin Maria Löw und Anja Kehrbaum weist viele augenzwinkernde Bezüge zu Ehranger Originalen auf, die im Programmheft detailliert erläutert werden. Kurz gesagt handelt es sich bei dem im Titel genannten Fräulein Seifer um die 1990 verstorbene, letzte Besitzerin der Ehranger Mühle und große Mäzenin des Ehranger Vereinslebens. In der fiktionalen Theater-Welt der Komödie war sie nacheinander mit vier Männern verheiratet, die abgewandelte, literarische Pendants von Ehranger Persönlichkeiten sind und die nach und nach alle unter mysteriösen Umständen aus dem (Ehe-)Leben verschieden – Horst Lorig, Capitaine Thiebaut Puél, Jürgen Haubrich und Berti Adams. Um der vier verstorbenen Ehemänner zu gedenken, hält sie alljährlich an ihrem Geburtstag ein festliches Abendessen im Stile von „Dinner for One“ ab, bei dem ihr Butler Dieter die Dahingegangenen vertritt und freilich die ihnen zugedachten alkoholischen Getränke konsumieren muss – mit den bekannten amüsanten, slapstickhaften Konsequenzen. Dieses „Dinner for one an Ehrik“ wird vor Spielbeginn in Form eines kleinen Schwarzweißfilms gezeigt, in dem Gisela Wagner Fräulein Seifer und Hermann Schmitt den Butler Dieter spielt.

Doch das ist die Vergangenheit. Nun, zu Beginn des Stücks, ist die alte Dame verstorben, und die raffgierigen Erben in spe finden sich in der Villa Seifer ein, in der Hoffnung, von der Verblichenen möglichst als Alleinerben ihres beträchtlichen Vermögens eingesetzt worden zu sein.
Da ist, allen voran, die abgehalfterte Operettendiva Madeleine Puél, souverän gespielt von Maria Löw, aus der Verbindung mit Capitaine Puél. Selbstverliebt, kokett und stets auf der Suche nach amourösen Abenteuern, steckt sie nach ihren vielen Affären in Geldnöten, die sie dadurch zu kaschieren versucht, dass sie eine „Abschiedstournee“ nach der nächsten gibt. In ihrer mittlerweile siebten spielt ausgerechnet sie, der der Ruf des Vamps vorauseilt, die Hauptrolle in der obskuren Operette „Die keusche Baronin“, ein Umstand, den ihre scharfzüngige, aus verarmtem Adel stammende Assistentin Dorothea von Pidoll (Julia Löw) mit der Bemerkung quittiert: „Ach, man stelle sich vor: Die Puél als keusche Baronin – das passt zusammen wie Beate Uhse und die Zauberflöte.“
Scharfzüngige Wortgefechte
Überhaupt ist das schnippische Hin und Her, mit dem Maria und Julia Löw in den Rollen der Madeleine Puél und der Dorothea von Pidoll sich minutenlang verbal beharken, ein deftiges humoristisches Highlight zum Auftakt des Theaterabends im Ehranger Bürgerhaus. „Sie haben doch bei jedem besteigungswilligen Gockel geglaubt, es sei die große Liebe“, giftet Dorothea mit Blick auf die Liebschaften, die die Diva in finanzielle Probleme gebracht haben. „Das einzige Männliche, das sie je in ihrem Leben hatte, das ist ihr Damenbart“, so Madeleine zu Notar Dr. Harry Peuckmann (René Maes) mit Blick auf ihre altjüngferliche Assistentin.

Doch auch wenn die alternde Diva selbstverständlich der Meinung ist, dass hier niemand etwas zu erben habe als sie selbst, so finden sich doch nach und nach weitere Aspirantinnen und Aspiranten ein: Da ist zunächst der im englischen Dandy-Stil gekleidete Rudi Lorig (Rudi Labarbe), der immer sehr vornehm tut, obgleich nach und nach immer deutlicher wird, dass dies bloße Fassade ist. Sodann die stets aufreizend gekleidete Mandy Adams (Jenny Schrenk). Zunächst als Pflegerin des auch schon 86-jährigen „Herbie“ Adams, Sohn des verstorbenen Seifer-Ehemanns, tätig, hat sie den alten Herrn kurzerhand geheiratet – selbstverständlich nicht um des Geldes willen, wie sie nicht müde wird zu betonen: „Liebe kennt keine Altersgrenze. Uns verbindet eine tiefe und innige Liebe“, so behauptet sie treuherzig, auch wenn sie den rührseligen Spruch, ihr „Herbilein“ habe sie „mit seinem Lächeln und dem Sanftmut seiner Augen“ erobert von einem Zettel ablesen muss. Vierter und letzter Anwärter im Reigen der Möchtegern-Erben ist der affektiert-snobistische Modedesigner Karl Roy Haubrich, zum Schreien komisch gespielt von Roland Grundheber, der in einem pinken Pailletten-Sakko auftritt, Dom Pérignon auf sein Zimmer verlangt und extravagante Essenswünsche äußert, die die bodenständig-burschikose Köchin Marlies (Martina Stadler) aber mit einem beherzten „Mir sin hier net bei ‚Wünsch Dir was‘, sondern bei ‚So isset‘“ abbügelt. Es gebe für den Herrn Modeschöpfer Gulaschsuppe und damit basta!
Aus den Versuchen dieser skurrilen Ansammlung von Erben in spe, unter denen jeder ein dunkles Geheimnis mit sich herumträgt, sich gegenseitig auszumanövrieren und zu vorzuführen, entstehen zahlreiche köstliche Situationen und heftige Wortgefechte, bevor Notar Dr. Peuckmann am Ende im dritten Akt ein Testament eröffnet, das natürlich ganz andere Bestimmungen enthält, als die bunte Erben-Viererbande es sich gedacht und erhofft hatte. Dazwischen liegt ein zweiter Akt mit vielen, die Lachmuskeln reizenden Verstrickungen, so wenn die mannstolle Madeleine und der homosexuelle Karl Roy dem Butler Paul (Christoph Reh) Avancen machen wollen und sich zu diesem Zwecke in dessen vermeintliches Zimmer schleichen, in dem aber ohne ihr Wissen Mandys 86-jähriger Mann mit seinem Beatmungsgerät einquartiert wurde.
Begeistertes Premierenpublikum
Dass der Humor beim Premierenpublikum hervorragend ankam, konnte man an den vielen Lachern im Laufe des Abends ebenso erkennen wie an der allgemein entspannten und heiteren Atmosphäre, zu der auch die hervorragende Bewirtung durch den Verein in den Pausen sowie das Gewinnspiel mit Fragen zum Stück beigetragen hat. Aufpassen lohnt sich also doppelt, sowohl wegen des Stückes wie auch wegen des Gewinnspiels.

Auch das Bühnenbild, das die Villa Seifer darstellt, war wieder sehr gelungen und detailfreudig: Ein etwas antiquierter Innenraum mit zwei Ebenen, deren obere den Eingangsbereich darstellt und die mit der unteren, der Wohnbereichs-Ebene, durch zwei Treppen verbunden ist. Ein Sofa links, der massive Schreibtisch des Notars rechts, dazwischen die Hausbar, an der sich Madeleine und ihre Assistentin reichlich bedienen, im Hintergrund prangen die Portraits der vier verstorbenen Ehemänner. Im wahrsten Sinne des Wortes ein stimmiges Gesamtbild, in das erkennbar viel Überlegung und Arbeit eingeflossen ist!
Vor allem aber zeigte sich das Ensemble hervorragend aufeinander eingespielt und lieferte eine exzellente Vorstellung ab, bei der neben Maria Löw als selbstverliebte Diva Madeleine Puél, die nicht einsehen will, dass ihre große Zeit vorüber ist, und Roland Grundheber als affektierter Modedesigner manieristischem Gehabe auch Theaterassistent René Maes in der Rolle des Dr. Peuckmann herausragte, indem er als ruhender Pohl fungierte und wie ein Fels in der Brandung des turbulenten Komödien-Treibens wirkte. Sehr witzig auch, wie Jenny Schrenk die einerseits naive, andererseits hinterlistige und etwas proletenhafte Mandy darstellte, fast ein bisschen wie die junge Veronica Ferres in „Voll normaaal“ – die Älteren unter den Lesern werden sich vielleicht an die wilde Komödie aus den 90ern erinnern, aus der die „Hausmeister Krause“-Serie entstand.
Ein Abend, der die Lachmuskeln strapazierte und keine Wünsche offen ließ. Der Theater- und Karnevalsverein Blau-Weiß Ehrang spielt „Das Erbe von Fräulein Seifer“ noch bis zum 12. Oktober.
Weitere Termine: 2. Oktober, 19.00 Uhr (Komödien-Dinner); 5. Oktober, 17.00 Uhr; 11. Oktober, 19.00 Uhr und 12. Oktober, 17.00 Uhr
Weitere Informationen hier.