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TRIER. Die diesjährige Weihnachtsausstellung des Museums am Dom in Trier konzentriert sich nicht auf die Heilige Familie selbst, sondern auf diejenigen scheinbaren Randfiguren, ohne die Darstellungen des Weihnachtsgeschehens kaum denkbar wären: die Engel.
Wie der Titel der Ausstellung – „Vom Götterboten zum Rauschgoldengel“ – schon andeutet, nimmt die Ausstellung Besucherinnen und Besucher mit auf eine Reise, die den Bogen von vorchristlichen Götterboten, die die Darstellung christlicher Engel inspiriert haben, über verschiedene Stadien der christlichen Kunst bis hin zu kommerziellen Anverwandlungsformen wie dem Rauschgoldengel des Nürnberger Christkindlesmarktes, der im Dommuseum den Weihnachtsbaum in Eingangsbereich schmückt.
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Einen Höhepunkt seiner Beliebtheit erreichte der im 18. Jahrhundert entstandene Rauschgoldengel in den 70er-Jahren, wie Polina Constantinova, Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Museum am Dom, beim heutigen Presserundgang den anwesenden Journalisten erklärte. Doch der Weg vom heidnischen Götterboten der vorchristlichen Zeit zum Rauschgoldengel auf dem Christkindlesmarkt war lang und facettenreich, wie sich an den Ausstellungsstücken im Dommuseum anschaulich nachvollziehen lässt.
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Morgen Abend, am 24.11., wird die Ausstellung um 18.30 Uhr feierlich im Museum eröffnet. Dompropst Weihbischof Jörg Michael Peters und Museumsdirektor Markus Groß-Morgen werden Grußworte sprechen. Musikerinnen und Musiker sorgen für ein weihnachtliches Rahmenprogramm. Im Anschluss lädt das Museum am Dom zu Glühwein und alkoholfreiem Punsch in den Museumsgarten und die Remise des Museums ein. Alle Interessierten sind herzlich eingeladen.
Antike Götterboten
Kleine, goldene Hermesschuhe auf dem Boden weisen den Weg durch die Ausstellung, kindgerechte Zusatzerläuterungen in Wolken-Optik sowie eine Mitmach- und eine Vorleseecke sorgen dafür, dass auch den kleinen Besuchern etwas geboten wird. Die Wahl der Flügelschuhe des Hermes als Wegweiser durch die Ausstellung spielt verdeutlicht augenfällig, dass bereits in der Antike geflügelte Götterboten wie die Siegesgöttin Nike/Victoria oder Hermes/Merkur zwischen der himmlischen und der irdischen Welt vermittelten. Auch der römische Liebesgott Amor zählt zu den prägenden Vorbildern für die Darstellungen christlicher Engel, die als Himmelsboten, Vermittler, Beschützer oder Wegbegleiter in Erscheinung treten. In der Weihnachtsgeschichte spielen sie bekanntlich eine zentrale Rolle.
Schon die Deckenmalereien der Konstantinischen Zeit aus dem Vorgängerbau des Trierer Doms, die im Museum zu sehen sind, zeigen geflügelte Figuren, die aber noch nicht als Engel interpretiert werden können, wiewohl sie deren spätere Darstellung beeinflusst haben, so etwa das mythische Liebespaar Amor und Psyche. Auch die Gloriolen, mit denen auf den Deckenmalereien Mitglieder der kaiserlichen Familie dargestellt sind, stellen noch keinen Heiligenschein im christlichen Sinne dar, wie Polina Constantinova und ihre Kollegin Anna Hoppe erläutern.
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Dass Hermes/Merkur in der Weihnachtsausstellung buchstäblich Spuren hinterlassen hat, ist auch deshalb angemessen, weil er als eine der wichtigsten römischen Gottheiten im Raum Trier gilt. Eindrucksvoll zeigt sich der Götterbote auf einem Sandstein-Fragment eines sog. Viergöttersteines aus dem 2. Jh. n.Chr., der als Basis für eine Jupitersäule diente. Gewöhnlich waren die Säulen bis zu zehn Metern hoch und mit Darstellungen verschiedener Gottheiten geschmückt, über denen Jupiter thronte.
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An der Basis waren meist Juno, Mercur, Mars, Hercules zu sehen. In späteren Zeiten wurden Teile der zerstörten Säulen oft in Gruben oder Brunnen bei Aufräummaßnahmen „verlocht“. Das Exemplar, das in der Ausstellung zu sehen ist, stammt aus einer Grabung im Domkreuzgang. Museumsdirektor Markus Groß-Morgen freut an dem Exponat besonders, dass, obgleich an den anderen Seiten der Zahn der Zeit stark genagt hat, gerade die Hermesseite gut erhalten ist, so dass Flügelschuhe und -helm deutlich erkennbar sind.
Engel im Alten und Neuen Testament
Im Alten Testament treten Engel als Helfer in der Not und Botschafter Gottes in Erscheinung. Als Abraham seinen Sohn Isaak opfern soll, greift im letzten Augenblick ein Engel ein. Der Erzengel Raphael begleitet Tobias auf seiner Reise und beschützt ihn vor Gefahren.
Laut Lukasevangelium verkündet Erzengel Gabriel sowohl die Geburt Jesu als auch die Geburt Johannes des Täufers. Auch im weiteren Weihnachtsgeschehen begleiten Engel als Boten Gottes die heilige Familie. Sie übermitteln den Hirten die frohe Botschaft und sind stets in Anbetungsszenen zu finden. Engel erscheinen bei wichtigen Ereignissen wie der Taufe Jesu und überbringen den Frauen am Grab Christi die Botschaft seiner Auferstehung.
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Um 500 n.Chr. verfasste der griechische Theologe Dionysius Areopagita eine Abhandlung über die himmlische Hierarchie. Darin werden neun Chöre mit drei Rängen der Engel beschrieben.
Während die oberen zwei Ränge in Verbindung zu Gott stehen, kümmert sich der unterste Rang (Fürsten, Erzengel und Engel) um die Menschen. Einer der höchsten Engel stürzt aus dem Himmel – der hochmütige Luzifer. Auf einem Monitor in der Ausstellung kann man sich verschiedene kunstgeschichtliche Versionen des berühmten Engelssturzes ansehen, auch eine aus St. Paulin in Trier.
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Der Erzengel Gabriel ist in der Ausstellung oft vertreten. Die Verkündigung an Maria ist in verschiedenen Varianten zu sehen; auch die Verkündigung an Zacharias ist vertreten. Es handelt sich um Arbeiten von Ernst Alt für das 1986 von ihm geschaffene Portal der Basilika St. Johann in Saarbrücken.
Engel in der zeitgenössischen Kunst
Jiři Keuthen (1951-2007) beschäftigte sich in vielen seiner Arbeiten mit dem Thema Engel. Widersprüchlich und mit eigenen Schicksalen versehen erschienen seine Engelfiguren in seiner letzten Ausstellung „Get an Angel – Ein Engel für Dich“. Ein bemerkenswertes Bild Keuthens ist eine Hommage an Alberto Giacometti und Ernst Barlach, in der Keuthen diese beiden Vorbilder als Engel dargestellt hat, wie Groß-Morgen ausführt.
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Eine ungewöhnliche Zusammenstellung von Engelfiguren hat der Künstler Bernhard Philipp (1948-2013), der lange in Trier gelebt hat, geschaffen. Die „Drei Engel der Geschichte“ sind in einer mehransichtigen Bronzeskulptur zusammengefasst. Sie repräsentieren Menschwerdung, „vergebliche Liebesmüh“ und Gericht. Der Skulptur korrespondiert ein Gemälde eines weinenden Engels, das den Titel „Weihnachtsengel nach 2000-jähriger vergeblicher Liebesmüh“ trägt, ein Thema, das den Künstler lange beschäftigte, so Groß-Morgen.
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Zu der Ausstellung „Vom Götterboten zum Rauschgoldengel“ findet ein vielfältiges Rahmenprogramm statt, das vom Kalligraphie-Workshop über Lesungen bis zum Nikolaus-Besuch und Weihnachtsbasteln reicht.
weitere Informationen: https://www.museum-am-dom-trier.de/