Schock und Tränen, aber auch Hilfsbereitschaft und Tatkraft: Nach einem mutmaßlichen Tornado hat in Bobenheim am Berg das Aufräumen begonnen. Urlaubende Anwohner wissen noch gar nicht, wie es um ihr Haus steht.
Motorsägen kreischen im Hintergrund, der örtliche Dachdecker hat trotz Wochenendes eine Sonderschicht eingelegt. Im Dackenheimer Weg hat nach einem möglichen Tornado am Freitagnachmittag das große Aufräumen eingesetzt. Die Anwohner haben eine größtenteils schlaflose Nacht hinter sich – so wie Petra Wolf, die das schwere Unwetter in Bobenheim am Berg in Rheinland-Pfalz gar nicht selbst miterlebt hat. «Ich stand im Stau, als der Anruf der Nachbarin kam», berichtet sie am Samstag. Erst konnte sie kaum verstehen, was die schluchzende Frau erzählte: «Das Dach liegt im Wohnzimmer!»
Wenige Minuten nur fegte das Unwetter durch die Straße, deckte Dächer ab, riss Äste von den Bäumen und wirbelte alles gründlich durcheinander. Während die Wetterseite «tornadoliste.de» am Samstag bereits von einem bestätigten Tornado sprach, ist der Deutsche Wetterdienst (DWD) noch etwas zurückhaltender. «Möglicherweise» habe es sich um einen Tornado gehandelt, so ein Sprecher. Die abschließende Einschätzung könne erst der Tornadobeauftragte am Montag geben. Den Bildern nach zu urteilen spreche «viel dafür», dass es sich tatsächlich um einen Tornado gehandelt hat, sagt ein Sprecher am Sonntag. Entscheidend sei dafür unter anderem, dass der rotierende Wirbel Bodenkontakt gehabt habe.
Die rheinland-pfälzische Innenstaatssekretärin Nicole Steingaß hat sich am Samstag vor Ort über das Ausmaß der Schäden informiert. Ihr Dank geht vor allem an die rund 120 Einsatzkräfte und die gesamte Dorfgemeinschaft. Der Einsatz sei reibungslos verlaufen und die Nachbarschaftshilfe habe großartig funktioniert, so das Lob der Staatssekretärin. Erleichtert ist sie vor allem, dass trotz der großen Schäden niemand verletzt worden sei.
Petra Wolf und ihre Nachbarn in dem kleinen Ort in der Nähe Bad Dürkheims müssen nun erst mal mit dem Ausmaß der Zerstörung fertig werden. Der Dachstuhl sei kaputt, in zwei Zimmer habe er reingeregnet, sagt Wolf. «Und alles ist durcheinandergeflogen.» Sie zeigt in einen benachbarten Garten: «Da hängt das Trampolin im Kirschbaum.» Ein weiteres Trampolin wurde vom Sturm etwa 100 Meter weit in die Weinberge getragen. Ein Geräteschuppen sei verschwunden, sozusagen vom Winde verweht, sagt Wolf. Und auch die Pflanzen und Blumenkästen auf ihrer Terrasse hat die Frau, die dem Samstag eigentlich beschaulich mit Gartenarbeit verbringen wollte, noch nicht wieder gesichtet.
Auch aus den Bobenheimer Weinbergen müssen Feuerwehr und Technisches Hilfswerk so manches Gartengerät herausklauben, auf der Straße werden zertrümmerte Dachziegel zusammengeräumt. Die Polizei schätzt, dass der entstandene Sachschaden im sechsstelligen Bereich liegt. Elf Häuser seien teils massiv beschädigt worden, heißt es in einem ersten Bericht. Dachziegel beschädigten zudem mehrere Fahrzeuge.
«Das Dach muss wohl komplett neu gedeckt werden», fürchtet Petra Wolf, die erst seit dem vergangenen August im Dackenheimer Weg wohnt. «Das ist wie im Film», sagt die Frau, die jahrelang in Kalifornien gelebt hat. «Da waren wir ja immer mit Erdbeben konfrontiert. Aber dass wir einen Tornado in Bobenheim erleben, das hätte ich nicht gedacht.» Müdigkeit steht der Frau mit dem kinnlangen dunklen Pagenschnitt ins Gesicht geschrieben. Die halbe Nacht habe sie am Telefon mit ihrem noch in den USA arbeitenden Mann verbracht. «Der wollte gleich seinen Flug umbuchen, aber der kann hier ja auch nichts machen», meint sie ratlos. Immerhin habe er noch in der Nacht die Versicherung verständigt.
In der Straße, die besonders heftig von dem Unwetter getroffen wurde, herrscht geschäftiges Treiben. Abgerissene oder zur Sicherheit abgesägte Äste werden gestapelt, Dächer notdürftig abgedeckt. Denn noch immer hängen graue Wolken über dem Ort und es sieht aus, als könne es wieder regnen. «Jeder hilft jedem», lobt Wolf die Solidarität. «Es herrscht unglaubliche Hilfsbereitschaft.»
Mitleidig denkt sie an die Nachbarn im letzten Haus der Straße – die ahnen noch gar nichts vom Ausmaß der Zerstörung. «Die sind im Urlaub. Das Haus ist wohl unbewohnbar.»