TRIER. Die Stadt Trier zieht die Linie erneut: Für den Jahreswechsel 31.12.2025 / 01.01.2026 gilt rund um den Hauptmarkt wieder ein Feuerwerks- und Böllerverbot per Allgemeinverfügung – konkret für Pyrotechnik der Kategorie 2. Die Verbotszone umfasst den Hauptmarkt inklusive der Bereiche bis zum Beginn von Fleischstraße und Dietrichstraße.
Das ist – auf dem Papier – ein Sicherheitsgewinn. Und trotzdem hängt über der Innenstadt diese eine Frage, die viele Trierer schon vor Mitternacht umtreibt: Verlagert sich das Knallen wieder dorthin, wo es am engsten wird?
Denn wer die Innenstadt kennt, weiß: Ein Verbot auf dem Hauptmarkt ist nicht das Ende der Pyro-Party, sondern nur der Startschuss für die nächste „Ausweichzone“ – insbesondere in der Simeonstraße und im Bereich der Porta Nigra.
Simeonstraße 2024: „Unangenehm und beängstigend“ – und dieses Gefühl bleibt
Im Vorjahr war die Lage für viele Menschen rund um Porta Nigra und Simeonstraße vor allem eins: unangenehm bis beängstigend. Bilder und Videos der vergangenen Jahre zeigen die verstörenden Szenen in der Trierer Simeonstraße deutlich: Enge Menschenmassen, wenig Ausweichmöglichkeiten – und zwischen den engen Häuserreihen und der noch hängenden Weihanchtsbeleuchtung: Zischende Feuerwerksraketen – teilweise gezielt auf Menschenansammlungen geschossen, krachende Feuerwerksbatterien unter den Weihnachtsbeleuchtungen und laut explodierende Böller!
Foto: Steil-TV
Augenzeugen berichteten: „Man wusste gar nicht, wohin man ausweichen soll“ – Raketen seien teils „direkt“ durch die Weihnachtsbeleuchtung geflogen. „Du siehst, wie irgendwo etwas gezündet wird, aber du kannst weder ausweichen noch Abstand gewinnen, weil links und rechts nur Menschen stehen.“ Und: „In dem Moment fühlst du dich hilflos – als würde gleich etwas passieren und niemand kann es stoppen.“
Foto: Steil-TVFeuerwerk in der Trierer Simeonstraße in der Silvesternacht 22/23; Foto: Lokalo.de
Diese Sätze sind nicht „Drama um des Dramas willen“ oder „dramatische Schilderungen in den sozialen Netzwerken“. Sie sind das Protokoll eines Gefühls: wenn aus einer Menschenmenge ein unkontrollierbarer Raum wird.
„Ich gehe da dieses Jahr nicht mehr hin“ – Bürger ziehen Konsequenzen
Und genau deshalb fallen in diesen Tagen in Trier wieder Sätze wie:
„Ich guck mir das Feuerwerk dieses Jahr nicht mehr an der Porta an – zu eng, zu unberechenbar.“
„Letztes Jahr hatte ich ständig das Gefühl, gleich trifft’s jemanden – das tu ich mir nicht nochmal an.“
Ein Satz fällt dabei besonders oft, mal wütend, mal resigniert: „Ich komme dieses Jahr gar nicht mehr.“
Kurz: Viele orientieren sich nicht an Statistiken, sondern an dem, was sie gesehen haben – und was sie nicht nochmal sehen wollen.
Keine Polizei-Schelte – aber ein ehrlicher Satz zur „Wirklichkeit“
Aus polizeilicher Sicht verlief die vergangene Silvesternacht in Trier überwiegend ruhig. Es habe keine größeren Zwischenfälle, keine bekannten Schwerverletzten und keine Vielzahl an Strafanzeigen gegeben.
Potenziell eskalierende Situationen seien durch frühzeitiges Einschreiten der Einsatzkräfte unterbunden worden, einzelne Platzverweise hätten ausgereicht, um die Lage zu beruhigen.
Foto: Steil-TV
Wichtig ist dabei: Es geht hier ausdrücklich nicht darum, der Polizei etwas zu unterstellen. Einsatzkräfte arbeiten mit Einsatzkonzepten, reagieren, trennen, schlichten – und berichten am Ende das, was rechtlich relevant ist: Anzeigen, Straftaten, Verletzungen und konkrete Maßnahmen.
Aber dennoch gehört zur Wahrheit dazu: Sicherheitsstatistiken messen nicht immer das, was Menschen fühlen. „Keine registrierten Straftaten“ kann – juristisch – korrekt sein. Und dennoch kann eine Situation für zahlreiche Menschen hochgradig bedrohlich wirken, wenn Pyrotechnik in dichtem Gedränge gezündet wird, Raketen quer durch Menschenmengen fliegen und Ausweichbewegungen kaum möglich sind – auch ohne Anzeige, auch ohne Krankenhausaufnahme.
Genau diese Lücke zwischen amtlicher Lageeinschätzung und erlebter Realität ist der Kern der Trierer Silvester-Debatte. Oder anders gesagt: Es muss nicht erst jemand verletzt werden, damit sich eine Situation gefährlich anfühlt.
Das Böllerverbot „bewährt“ – ja. Aber wohin wandert das Problem?
Die Trierer Simeonstraße in der Silvesternacht; Foto: lokalo.de
Die Stadt verweist darauf, dass sich das Böllerverbot am Hauptmarkt „bewährt“ habe – so wird es auch überregional zitiert. Das mag für den Hauptmarkt stimmen. Doch die entscheidende Trier-Frage lautet: Bewährt für wen – und wo? Wenn die Effekte räumlich wandern, bleibt für viele am Ende nur die Verlagerung: Hauptmarkt ruhig(er) – Porta Nigra/Simeonstraße voll(er).
Stadt rüstet auf: Mehr Rettungswagen, Schutzbrillen – ein stilles Signal
Dass die Stadt das Risiko ernst nimmt, zeigt auch ein anderer Punkt: Feuerwehr und Rettungsdienst sind an Silvester mit mehr Personal und Fahrzeugen unterwegs.
Das ist kein Alarmismus – das ist Pragmatismus. Und es passt zu dem, was Sicherheitsexperten immer wieder betonen: Feuerwerk kann schwere Verletzungen verursachen, besonders dann wenn illegale oder unsachgemäß genutzte Pyrotechnik im Spiel ist.
Wie schlimm wird es? Die ehrliche Antwort: Es hängt nicht nur vom Verbot ab
Ob es dieses Jahr wieder „Schlachtfeld“-Momente gibt, entscheidet am Ende weniger ein Blatt Papier – als die Mischung aus:
Menschenmenge
Alkohol
Pyrotechnik
Rücksicht (oder eben nicht)
Präsenz und Steuerung vor Ort
Das Böllerverbot am Hauptmarkt ist ein Baustein. Aber die Debatte, ist größer: Wie schützt man Menschen in den engen Hotspots – auch dann, wenn am Ende „nichts Aktenkundiges“ passiert?
Denn: Für das Gefühl, in einer Menge zu stehen, während Raketen auf Augenhöhe zischen, braucht es keine Statistik. Das reicht als Erinnerung.
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