Langfristige Schäden: Was Corona mit der Gesellschaft gemacht hat

Kinder und einsame Menschen in Altenheimen haben besonders unter den Corona-Schutzmaßnahmen gelitten. Ein Mainzer Soziologe beschreibt Folgen, die fünf Jahre später noch spürbar sind.

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Foto: Peter Kneffel / dpa / Symbolbild

MAINZ. Die Kanalisation in London ist nach der Cholera-Epidemie entstanden, der Spucknapf verschwand nach der Tuberkulose aus den Herrenfriseursalons – und mit Aids wurde safer Sex ein verbreitetes Thema. Was hat sich in den fünf Jahren seit den ersten Corona-Fällen verändert?

Höheres Risikobewusstsein und anderer Umgang mit dem Körper

«Es gibt ein gestiegenes Risikobewusstsein», sagt der Mainzer Soziologe Stefan Hirschauer im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur. «Es gibt mehr Desinfektionsspender in der Öffentlichkeit und man nutzt sie auch, und Masken bei Infektionen sind nichts Exotisches mehr.»

«Der Umgang mit unserem eigenen Körper dürfte auch zu den Langzeitfolgen gehören», sagt der Wissenschaftler. Er sei als «kostbares Objekt scharf ins Bewusstsein gerückt».

Der Handschlag zur Begrüßung ist nicht mehr selbstverständlich

«Ob der Handschlag die Pandemie überlebt hat, können wir noch nicht beantworten.» Er habe auf jeden Fall an Selbstverständlichkeit verloren. «Es gibt wahrscheinlich auch weniger Umarmungen von Fremden.»

«Grußrituale erhalten die Beziehung. Wenn sie wegfallen, kann die Beziehung Schaden nehmen», betont der Soziologe. Was aber, wenn wie in der Pandemie Masken und Abstandsregeln etwa Wangenküsse und Umarmungen zur Begrüßung verhindern? «Wie viele Schäden unsere Beziehungen genommen haben, ist politisch nicht auf dem Schirm gewesen.»

Die Verdichtung des privaten Lebens auf engem Raum war schlimm

«Es gab sehr gute soziologische Gründe dafür, dass sich Menschen während der Pandemie gesundheitspolitisch schlecht benommen haben – ob es um die Begleitung von Sterbenden, um Begräbnisse, um Kindergeburtstage oder Jugendtreffs ging», sagt Hirschauer.

«Die unglaubliche Verdichtung des privaten Lebens war schlimm. Homeoffice ist noch ein Luxus gewesen, aber die Verdammung von Kleinfamilien in Wohnräume war es nicht», sagt der Wissenschaftler. «Wenn man einem Fünfjährigen beim Kindergeburtstag sagt, es darf nur deine beste Freundin kommen, dann verursacht das auch langfristige Schäden.»

Es ging vor allem um Gesundheit und die Wirtschaft

Solche Gedanken hätten in der Pandemie aber keine Chance gehabt, auf dem Schirm der Politik seien fast ausschließlich Gesundheit und Wirtschaft gewesen. «Insofern haben bestimmte Bevölkerungsteile stärker draufgezahlt als andere.»

Im Hochfahren der Schutzmaßnahmen sei die langanhaltende Unsicherheit über die Gefährlichkeit des Virus bestimmend gewesen, erinnert der Professor. Corona sei behandelt worden wie Ebola – «diesen Grad von Tödlichkeit hatte das Virus aber bei weitem nicht».

Das Aggressionsniveau ist höher

«Das Aggressionsniveau der öffentlichen Meinungsbildung hat während der Pandemie einen Schlag bekommen – und da sind wir noch nicht raus.» Grund seien nicht nur die sogenannten sozialen Medien und die Beschäftigung in diesen Bubbles.

«Die Meinungsbildung während der Pandemie ist auch deshalb so aus dem Ruder gelaufen und von der Politik nicht mehr zu kontrollieren gewesen, weil die Personen stärker auf sich selbst zurückgeworfen worden sind», sagt Hirschauer. «Dadurch hat die Informations- und Meinungsbildung einen höheren Grad an Verschrobenheit erreicht.»

«Da ist was auseinander geklafft: Der Rationalismus der Politik, der sehr stark von der medizinischen und dann ökonomischen Beratung bestimmt wurde, und dem viel weniger rationalen Geschehen in der Gesellschaft

Entmischung und Fragmentierung in der Gesellschaft wirken nach

Und: «Es hat eine Entmischung stattgefunden. Öffentliche Veranstaltungen sind so ähnlich wie Gesamtschulen oder Fußballstadien Foren, in denen sich Menschen unterschiedlichster Herkunft begegnen», stellt der Soziologe fest. Das fiel weg.

An solchen Orten, wie auch dem Arbeitsplatz, sei man mit anderen Meinungen, etwa auch mal mit einem AfD-Wähler konfrontiert. «Das ist in der Pandemie runter gefahren worden, es hat einen Fragmentierungseffekt gegeben.» (Quelle: dpa)

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5 Kommentare

  1. Man hätte besser geschrieben, was hat,wie Herr Streeck es zum Schluss formulierte, die „politische Pandemie “ aus der Gesellschaft gemacht. Ausser unnützige Ausgaben, eingesäckelte Provision usw.,da könnte man einiges nochmal aufrollen.

  2. «Da ist was auseinander geklafft: Der Rationalismus der Politik, der sehr stark von der medizinischen und dann ökonomischen Beratung bestimmt wurde, und dem viel weniger rationalen Geschehen in der Gesellschaft.»

    Rationalismus der Politik? Der Mann hat wohl die letzten Jahre unter einem Stein gelebt, anders ist die hanebüchene Aussage nicht zu verstehen.

    Oh, sehe gerade, DPA-Meldung…. mein Fehler, ich dachte, es sei Journalismus. Sorry!

  3. das Problem ist doch, es zieht keine Konsequenzen nach sich.

    Egal ob für Spahn oder Lauterbach.

    Taschen wurden voll gemacht, Nachbarn denunzieren Nachbarn, Ungeimpfte als Aussätzige und N*zis behandelt, Geimpfte die Spätfolgen haben – aufgrund nicht ausgereiftem Impfmaterial, werden alleine gelassen.
    ein ganzes Land wurde gegen die Wand gefahren.
    Panikmache am laufenden Band. Inzidenzen OMG 20, da muss alles von der Straße.

    Unternehmen, Restaurants, Sportvereine – Insolvent und mussten den Betrieb einstellen. ( oder wie Habeck sagen würde, “ die produzieren eine Zeit lang nix“)

    die Politik hat die Bürger im Stich gelassen, Maskendeals und Impfstoffdeals abgewickelt, Hohe Summen rausgeworfen..

    Untersuchungsausschuss, wo man sich gegenseitig deckt…

    • Kein Mitleid mit der Gesellschaft, selber schuld. Ich bin nicht geimpft, mein Sozialleben war während ganz Corona intakt weil ich mich an die Regeln nicht gehalten habe, die Silvesterfeiern im gemeinsamen Kreis grossartig und die Coronaregeln gingen mir am Arsch vorbei. Wenn jetzt Kinder oder Erwachsene psychische Probleme haben oder sonstwas können sie sich bei ihren regelkonformen, andere denunzierenden Eltern bedanken.

  4. Obwohl ich meist die Regeln einhielt und mich leider auch habe impfen lassen, wurde ich von vielen dumm angemacht oder ausgegrenzt, weil ich mich während der gesamten Coronazeit sehr kritisch äußerte. Heute sind sie alle verstummt und wechseln verschämt das Thema. Bis auf einige wenige Normale (angebliche Schwurbler und rechte Systemfeinde 😂) befand sich die Gesellschaft in einer sehr üblen kollektiven Trance mit abgeschaltetem Verstand.

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