
MAINZ. Nach Einschätzung der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) Rheinland-Pfalz kommen Patienten mit immer mehr Ansprüchen in die Praxen.
«Wir haben heute Patienten mit massiven Forderungen», sagte der stellvertretende Vorstandsvorsitzende Andreas Bartels. Das belaste auch die Mitarbeiter in Praxen enorm. Patienten forderten beispielsweise eine Magnetresonanztomographie (MRT) umgehend oder ein teureres Medikament.
Patienten kontaktierten teils zwei bis drei Hausärzte, in Deutschland und Rheinland-Pfalz gebe es deutlich mehr Arzt-Patienten-Kontakte als in anderen europäischen Ländern. Bei manchem Arztbesuch müsse gefragt werden, ob der notwendig sei.
Bartels spricht von «Flatrate-Medizin»
Bartels sieht eine «Flatrate-Medizin», es solle rund um die Uhr eine Versorgung geben. Von politischer Seite werde immer mehr Leistung verlangt, gleichzeitig bleibe der Deckel auf dem Topf der Budgets. «Wenn wir eine Flatrate-Medizin anbieten und gleichzeitig die Honorare deckeln, kollabiert das System.»

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Die Mitverantwortung und das Kostenbewusstsein der Patientinnen und Patienten müssten erhöht werden, forderte der KV-Vertreter. Dies könne über mehr Selbstbeteiligung an Kosten geschehen, was aber sozial abgefedert werden müsse. Vor Augen hat Bartels nicht die Wiedereinführung einer Praxisgebühr. Vielmehr plädierte er dafür, dass künftig alle gesetzlichen Krankenkassen günstigere Tarife bei mehr Selbstbeteiligung anbieten. Bislang seien solche Tarife bei gesetzlichen Kassen noch die absolute Seltenheit.
Kann Selbstbeteiligung die Kassenbeiträge senken?
Selbstbeteiligungen könnten letztlich zu niedrigeren Krankenkassenbeiträgen beitragen, sagte Bartels. Zu Beginn dieses Jahres hatte die überwiegende Zahl der 94 gesetzlichen Krankenkassen ihren Zusatzbeitrag angehoben auf im Schnitt 2,91 Prozent des beitragspflichtigen Einkommens.
Für eine Entlastung von Praxen müsse auch über das Thema Krankschreibung gesprochen werden. Die Ausstellung von Bescheinigungen der Arbeitsunfähigkeit beschäftige Praxen sehr, die telefonische Krankschreibung sollte beibehalten werden, sagte Bartels. Er befürworte Karenztage, also erste Krankheitstage ohne Lohnfortzahlung der Arbeitgeber.
Wieder ein Vorschlag zur Mehrbelastung der arbeitenden Bevölkerung. Chronisch Kranke und Familien mit chronisch kranken Kinder, pflegebedürftigen Angehörigen haben ebenfalls das Nachsehen.
Den Begriff Flatrate-Medizin finde ich ebenfalls vollends übertrieben. Im Laufe der Jahre wurde einiges verändert, so dass frühere Kassenleistungen nun Selbstzahler-Leistungen sind.
Die Elefanten im Raum werden nicht benannt.
Zum einen benötigen wir keine 100 Krankenkassen mit 100 Verwaltungen und 100 Vorständen.
Zum anderen liegt das Problem darin, dass alle hier lebenden Menschen medizinisch vollversorgt werden und der Anteil der Beitragszahler, der arbeitenden Bevölkerung, zu gering ist.
Ich finde, dass die Zuzahlung für medizinisch notwendige Medikamente, Sehhilfen, Zahnbehandlung, Vorsorgeuntersuchungen,… hoch genug ist.
Die Karenztage sehe ich ebenfalls kritisch. Verantwortungsbewusste Menschen melden sich nur krank, wenn sie es wirklich sind. Sind diese auf das volle Gehalt angewiesen, besteht die Gefahr, dass sie krank zur Arbeit
gehen. Ob das der Qualität der zu verrichtenden Tätigkeit, dem Arbeitgeber und der Belegschaft zu Gute kommt, bleibt ungewiss.