Die Ford-Beschäftigten in Saarlouis schauen noch immer in eine ungewisse Zukunft. Am Mittwoch berichtete der Betriebsrat bei einer Belegschaftsversammlung über die aktuellen Sozialtarifverhandlungen
Die Umstrukturierungen im Ford-Werk Saarlouis zum bevorstehenden Auslaufen der Ford-Focus-Produktion Mitte 2025 schreiten voran. «Das macht sich jetzt deutlich bemerkbar», sagte der Betriebsratsvorsitzende Markus Thal am Mittwoch der Deutschen Presse-Agentur. Allein zum Jahresende werden seinen Angaben zufolge 250 weitere Mitarbeiter aus dem Betrieb ausscheiden. Zum 1. Januar 2024 soll sich die Zahl der Beschäftigten dann, wie mit der Konzernleitung des US-Autobauers vereinbart, von 4500 auf 3850 reduziert haben. «Die Kollegen machen in diesen Tagen aber bereits ihre letzte Schicht», so Thal. «Viele Altgediente gehen jetzt, viele Stellen werden nun intern neu besetzt.»
Über die aktuellen Zahlen und den Stand der laufenden Sozialtarifverhandlungen berichtete Thal am Mittag bei einer Betriebsversammlung in Saarlouis. Zu den 650 abgebauten Stellen in diesem Jahr hätten demnach knapp 400 betroffene Mitarbeiter die Möglichkeit von Abfindungen genutzt. Weitere seien wie geplant über Altersteilzeit ausgeschieden, 20 Kollegen wechselten zu Ford nach Köln.
Im Gegenzug zum diesjährigen Personalabbau sichert eine Betriebsvereinbarung rund 1000 Ford-Beschäftigten einen Arbeitsplatz bis zum Ende des Jahres 2032 zu. Unklar ist jedoch noch, wer von der Belegschaft dafür in Frage kommt. «Wir kennen zwar die einzelnen Projekte, aber wir wissen noch nicht genau, welche Qualifikationen dafür benötigt werden und wie wir die Kollegen im Einzelnen dazu aussuchen werden. Aber wir arbeiten daran», sagte Thal.
Vor allem sei aber auch noch immer völlig unsicher, was mit den dann noch verbleibenden 2850 Mitarbeitern passiert. Bei der Betriebsversammlung Anfang Oktober war bekannt gegeben worden, dass die Verhandlungen mit einem Interessenten über eine Übernahme des Ford-Standortes zunächst gescheitert waren. Einige Tage später wurden sie erneut fortgesetzt. Nach dpa-Informationen soll es sich dabei um einen asiatischen Autobauer handeln.
«Die Gespräche laufen noch», sagte ein Ford-Sprecher am Mittwoch auf die Frage, wie der aktuelle Stand sei. Der saarländische Wirtschaftsminister Jürgen Barke (SPD) teilte auf Anfrage mit, dass man sich weiterhin «in intensiven und komplexen Verhandlungen mit einem Investor aus der Automobilindustrie» befinde und diese noch nicht abgeschlossen seien. «Es sind sehr wertschätzende und konstruktive Verhandlungen», so Barke. Das vorrangige Ziel der Landesregierung bleibe, eine Zukunftslösung am Standort Saarlouis zu unterstützen.
Laut Barke wird über die Übernahme durch einen großen Investor verhandelt. Dies stelle für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter die beste Lösung dar, da sie die größtmögliche Beschäftigungssicherung biete. «Dessen ungeachtet werden auch weiterhin alternative Konzepte verfolgt», so der Minister. Diese sähen unter anderem eine Industriepark-Lösung mit mehreren mittelständischen aber auch industriellen Unternehmen am Standort vor.
In der Belegschaft sind inzwischen viele skeptisch, dass eine große Lösung gelingt. «Bisher hat das Unternehmen vier klare Zeitlinien gerissen«, betonte Thal. »Mittlerweile halten wir es für unwahrscheinlich, dass kurzfristig ein Investor präsentiert werden kann, der den Standort übernimmt. Daher bleibt uns gar nichts anderes übrig, als jetzt mit Ford abzuklären, was mit den verbliebenen 2850 Mitarbeitern wird.»
Eine der Möglichkeiten sei, dass alle Beschäftigten gleichzeitig Mitte 2025 das Werk verlassen, sagte er. Die andere Möglichkeit, die der Betriebsrat favorisiere, sei, einen Plan zu erstellen, indem man unterschiedliche «Haltepunkte» einlege. Dabei hätten die Kollegen die Chance, nach und nach aus der Firma auszuscheiden oder in eine Qualifikation zu gehen.
Mit einer Gruppe aus Vertretern der Ford-Geschäftsführung aus Deutschland, des Betriebsrats und der IG Metall werde zweimal wöchentlich über die Bedingungen für einen Sozialtarifvertrag verhandelt. «Für uns ist wichtig, dass es ein Gesamtpaket gibt und dass ein Ergebnis bis spätestens Anfang Februar vorliegt», sagte der Betriebsratsvorsitzende. «Unsere Kollegen brauchen endlich Klarheit. Sie müssen wissen, wie sie ihre Zukunft weiter planen können.»
Von Ford erwarte man nun ein «anständiges Angebot». Ob dies angenommen werde, darüber müssten dann die zu 98 Prozent in der IG Metall organisierten Mitarbeiter in einer Urabstimmung entscheiden. Andernfalls drohe der Arbeitskampf. «Aktuell ist unsere Verhandlungsposition gut», sagte Thal. «Für das nächste halbe Jahr sehen wir das Werk in Saarlouis sehr gut ausgelastet, und Ford braucht die Autos.»
Die Stimmung sei allerdings schlecht, sagte er: «Ford muss Lösungen liefern in den Verhandlungen. Die Beschäftigten werden immer frustrierter, es herrscht ein hoher Krankenstand.» Aus Sicht des Betriebsrates kein Wunder: Mittlerweile seien eineinhalb Jahre vergangen, seit der US-Autokonzern Ende Juni 2022 die Entscheidung verkündet hatte, dass das Werk im spanischen Valencia den Zuschlag für die neue Elektroauto-Plattform erhält. Damit wurde seinerzeit auch das Ende für die Focus-Produktion in Saarlouis besiegelt.