“Wölfe jetzt ohne Schafspelz”: SPD warnt nach Knall in der RLP-AfD vor Kurswechsel

Dem Wechsel an der AfD-Fraktionsspitze folgt der große Knall. Der abgewählte Vorsitzende spricht von gebrochenen Absprachen. Der neue starke Mann fordert seinen Vorgänger zur Aufgabe des Landtagsmandats auf. Die SPD-Regierungsfraktion warnt vor einem AfD-Kurswechsel.

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Journalisten, Gäste und Abgeordnete im Deutschhaus, dem Sitz des Landtags von Rheinland-Pfalz. Foto: Andreas Arnold/dpa/Archivbild

MAINZ. Der Machtkampf in der AfD-Fraktion im rheinland-pfälzischen Landtag ist entschieden: Jan Bollinger wurde am Mittwoch bei einer Fraktionssitzung in Mainz zum neuen Vorsitzenden gewählt. Der 46-Jährige löst Michael Frisch ab, der nach der Entscheidung seinen Austritt aus der Fraktion erklärte.

«Es ist bedauerlich, dass Mandatsträger demokratisch gefällte Entscheidungen und vereinbarte Wahlen nicht akzeptieren können», sagte Bollinger zu dem Schritt seines Vorgängers. «Insofern begegne ich dem Austritt mit Unverständnis.» Auch der Abgeordnete Martin Louis Schmidt erklärte nach Angaben der Fraktion seinen Austritt.

Der neue Fraktionschef forderte die beiden Abgeordneten auf, ihr Landtagsmandat abgeben. Als Vorsitzender der Fraktion und des Landesverbands werde er die Zusammenarbeit dieser beiden Gruppen weiter verbessern, um gemeinsam gestärkt in die kommenden Wahlen zu gehen, kündigte der Innen- und Gesundheitsexperte der Oppositionsfraktion im Mainzer Landtag an.

Der 66 Jahre alte Frisch reagierte mit großer Verärgerung auf seine Abwahl. Diese widerspreche allen vorherigen Absprachen, einen Wechsel in dieser Position erst im unmittelbaren Vorfeld der nächsten Landtagswahl vorzunehmen, erklärte der frühere Vorsitzende in einer gemeinsamen Erklärung mit Schmidt. Die Abwahl stelle somit einen «massiven Vertrauensbruch» dar, der beiden eine weitere Mitarbeit in der Fraktion unmöglich mache.

Bollinger erklärte dagegen, es habe keine entsprechenden Zusagen mit Blick auf die nächste Landtagswahl in Rheinland-Pfalz im Jahr 2026 gegeben. Den Kompromiss-Vorschlag aus der Fraktion, die Wahl des Vorsitzenden auf die Zeit nach der Kommunalwahl zu verschieben, habe Frisch abgelehnt. Zudem habe es schon längere Zeit Kritik in der Fraktion an dem früheren Vorsitzenden gegeben. Weitere Austritte aus der Fraktion ständen nicht im Raum.

Bollinger hatte Frisch bereits im vergangenen Jahr als Parteichef der rheinland-pfälzischen AfD abgelöst. Der 66-Jährige hatte das Amt des Parteichefs von 2019 bis 2022 inne. Der Fraktion stand er seit dem Jahr 2021 als Vorsitzender vor. Die AfD-Fraktion hat nun noch sechs Abgeordnete. Zuvor hatte bereits Matthias Joa im Jahr 2021 seinen Austritt aus Partei und Fraktion erklärt.

Der Generalsekretär der SPD in Rheinland-Pfalz, Marc Ruland, sprach von einem «Implosionsprozess» in der AfD-Fraktion, da mittlerweile bereits drei gewählte Abgeordnete in der laufenden Legislaturperiode ausgeschieden seien. Mit Bollinger an der Spitze werde die rheinland-pfälzischen AfD dem Kurs des Thüringer AfD-Partei- und Fraktionschefs Björn Höcke folgen.

Ähnlich äußerte sich die Fraktionsvorsitzende der Sozialdemokraten im Landtag: «Mit der Entmachtung Frischs und dem Einsetzen Bollingers an der Fraktionsspitze haben sich die Wölfe nun ihres Schafspelzes entledigt», sagte Sabine Bätzing-Lichtenthäler. «Wenn eine Fraktion von einer Person geführt wird, die 2021 in einem Gutachten des Bundesamts für Verfassungsschutz im Kontext ‚Muslimfeindliche Aussagen und Positionen‘ geführt wird, die im rheinland-pfälzischen Plenum immer wieder durch die dumpfsten rechten Populismus auffällt und sich generell durch das Schüren ausgrenzender Ressentiments auszeichnet, dann lässt das für die Zukunft Schlimmstes erahnen.»

Bei der Sitzung in Mainz wurde den Angaben zufolge zudem Iris Nieland als stellvertretende Fraktionsvorsitzende erneut gewählt. Damian Lohr ist Parlamentarischer Geschäftsführer der rheinland-pfälzischen AfD-Fraktion.

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1 Kommentar

  1. Die AfD ist mit 10 Jahren eine relativ junge Partei, in der er sicherlich an manchen Stellen Machtkämpfe gibt, die man nicht hoch hängen sollte. Insgesamt ist die AfD bei den Umfragen nach der CDU/CSU die beliebteste Partei. Die Anzahl der Abgeordneten in Landtagen ist durch die hohen Wahlsiege in Hessen und Bayern stark gestiegen.

    Die SPD sollte sich um ihre Probleme kümmern, sie hat bei den Landtagswahlen in Hessen und Bayern massiv verloren.

    Hessen: AfD 18,4 % (+5,3 %); SPD 15,1 % (-4,7 %)
    Bayern: AfD 14,6 % (+4,4 %); SPD 8,4 % (-1,3 %)

    Zitat: „Der Generalsekretär der SPD in Rheinland-Pfalz, Marc Ruland, sprach von einem «Implosionsprozess» in der AfD-Fraktion, da mittlerweile bereits drei gewählte Abgeordnete in der laufenden Legislaturperiode ausgeschieden seien.“

    Insgesamt kann die AfD (Bayern +10 Sitze) in den Landtagen beträchtlich zulegen, während die SPD (Bayern -5 Sitze) massive Probleme hat.

    Joachim Datko – Ingenieur, Physiker

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