Cybercrime und Datenberge: Landespolizei in Rheinland-Pfalz wird neu aufgestellt

Cyberkriminalität, internationale Banden und gigantische Datenberge: Um solche Kriminalitätsentwicklungen schneller aufklären zu können, wird die Landespolizei reformiert.

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Foto: dpa (Symbolbild)

MAINZ. Die rheinland-pfälzische Landesregierung will die Polizei bis 2025 schlagkräftiger aufstellen. Cyberkriminalität, digitale Angriffe auf die Infrastruktur sowie internationale Banden nannte Innenminister Michael Ebling am Freitag in Mainz als Gründe.

«Kriminelle Individuen und Banden verlagern ihre Machenschaften zunehmend ins Netz», stellte der SPD-Politiker fest. «Täter digitalisieren Kriminalität und erschließen sich zugleich gänzlich neue Betätigungsfelder, beispielsweise im Bereich der Kryptowährungen.»

Dazu komme die Auswertung immer größerer Datenmengen bei der Strafverfolgung und komplexere Verschlüsselungsalgorithmen der Kommunikation. Innerhalb von vier Jahren habe sich die Zahl der auszuwertenden Daten im Zusammenhang mit Straftaten auf mehr als 20.000 Terabyte verdoppelt, sagte der Inspekteur der Polizei, Friedel Durben. Die wichtigsten Fragen und Antworten zur Reform.

Was plant die Landesregierung?

Ein Kernstück der Reform ist die Einrichtung einer zentralen Anzeigenbearbeitung für einfache und mittelschwere Delikte wie Diebstähle und Beleidigungen (ZAb) in den fünf regionalen Polizeipräsidien im Land. Eine andere Säule ist die Einrichtung von fünf spezialisierten Cybercrime-Kommissariaten. Außerdem soll es angehenden Polizisten künftig möglich sein, direkt nach dem Bachelor bei der Kriminalpolizei anzufangen.

Was ist das Ziel der ZAb?

Die zentrale Anzeigenbearbeitung soll mehr Effizienz bei der Bearbeitung der Straftaten und eine schnellere Rückmeldung für die Bürger gewährleisten. Mit der ZAb kann auch die Präsenz der Kriminalpolizei in der Fläche gestärkt werden. Möglich seien bis zu sieben neue regionale Kriminalkommissariate in großen Polizeidirektionen. Der täterorientierte Ansatz werde gestärkt, sagte Ebling.

Wie sieht die Spezialisierung bei der Cyberkriminalität aus?

Erstmals sollen spezialisierte Cybercrime-Kommissariate entstehen – und zwar fünf. «Sie werden die regionalen Ergänzungen zum Dezernat Cybercrime im Landeskriminalamt bilden», sagte Ebling. Zudem werde eine Cybertaskforce (CTF) geschaffen. Als Beispiel für deren Einsätze nannte der Minister den Cyberangriff auf die Verwaltung des Rhein-Pfalz-Kreises zu Jahresbeginn. Ziel sei es «schnellstmöglich mit verschiedenen Spezialisten» an den Einsatzort zu kommen, ergänzte Durben. «Gerade diese Delikte werden zunehmen.»

Was ändert sich beim Polizeistudium?

«Wir wollen es künftig ermöglichen, ein gewisses Kontingent an Berufsanfängerinnen und Berufsanfängern direkt in eigenen «Kripo-Studiengängen» in Studium und Beruf starten zu lassen», sagte Ebling. Durben rechnet damit, dass in einem Jahr 30 bis 60 jungen Menschen dieses Angebot gemacht werden könne.

Was bedeutet die Polizeireform für die Bürger?

«Für die Bürger ändert sich auf den ersten Blick nichts», sagt Ebling. Die Dienststellen und die Online-Wache blieben bestehen, Anzeigen seien weiterhin in jeder örtlichen Polizeiwache oder über die Online-Wache möglich. Die Menschen würden aber spüren, dass mit der Neuaufstellung der Polizei die Bearbeitung von Straftaten und Anzeigen effektiver und der Rechtsstaat schneller werde. «Rheinland-Pfalz ist seit Jahren eines der sichersten Bundesländer. Und die Bürger können sich auch darauf verlassen, das es so bleibt.»

Wie viele Polizisten sind betroffen?

In den fünf Polizeipräsidien im Land arbeiten insgesamt rund 1500 Kripobeamte und etwa 6000 Schutzpolizisten (volle Stellen). Die Arbeitsbedingungen der Polizei im Land verbesserten sich mit der Reform, sagte Ebling. Er räumte aber auch ein: «So viel Veränderung kann auch anstrengend werden.» Den Kriminalbeamten in den 42 Polizeiinspektionen werde ein Angebot gemacht, in die Fläche zu gehen und für viele Beamte werde es auch Wechsel im selben Haus geben, sagte Durben. Die Kripo werde in diesem Jahr erneut mit 42 neuen Stellen verstärkt, sagte Ebling. Genauso viele waren 2022 dazu gekommen.

Was ist die Grundlage der Entscheidung?

Eine im November 2021 eingesetzte Arbeitsgruppe zur Kriminalitätsbekämpfung unter Leitung des scheidenden Chefs des Landeskriminalamtes (LKA) Johannes Kunz hatte die Lage analysiert und Vorschläge gemacht. Mehr als 100 Mitarbeiter von Kriminal- und Schutzpolizei aus verschiedenen Hierarchien seien beteiligt gewesen, sagte Durben. Insgesamt seien mehr als 1000 Mitarbeitende einbezogen worden. Auch Best Practice Beispiele aus anderen Bundesländern, dem Bundeskriminalamt und Europol seien eingeflossen.

Was sagen die Gewerkschaften?

Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) teilt nach den Worten ihres stellvertretenden Vorsitzenden Sven Hummel die Analyse und Diagnose der Arbeitsgruppe in vollem Umfang. Es dürfe aber keinen Verschiebebahnhof von Personal zu Lasten anderer Aufgaben geben. «Jetzt kommt es darauf an, was wir daraus machen. Das geht nicht zum Nulltarif», betonte Hummel. Die Landesvorsitzende Sabrina Kunz kritisierte, dass die Beschäftigten erst nach der Pressekonferenz des Ministers informiert würden. Wegen der «enormen Auswirkungen» der Reform für die Kriminalpolizei werde die GdP einen außerordentlichen Delegiertentag einberufen.

Der Landesverband des Bunds Deutscher Kriminalbeamter (BDK) sieht mit den Plänen langjährige Forderungen an eine effektivere und effizientere Verbrechensbekämpfung erfüllt. Die Reform sei ein «bedeutsamer Schritt», sagt der Landesvorsitzende Christian Soulier.

Wie bewertet die Opposition die Reform?

Der Fraktionsvorsitzende der Freien Wähler, Joachim Streit, kritisierte: «Das ist keine Reform, sondern nur ein Schieben von Dienstposten.» Die Neuordnung gehe zu Lasten des ländlichen Raums. «Ein echter Beteiligungsprozess hat nicht stattgefunden, sondern man hatte dem scheidenden Chef des Landeskriminalamts die Leitung des Projekts übertragen, obwohl das Ergebnis der Neuordnung nicht das LKA trifft, sondern die Kriminalpolizei in den Polizeipräsidien.»

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