Nachgefragt: Pflege-Alltagshelferinnen doch selbstständig tätig? Landessozialgericht weist Berufung der Deutschen Rentenversicherung zurück.

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Das Team der Trierer Rechtsanwaltskanzlei "Haufs-Brusberg und Kollegen"

TRIER. Ein gängiges Modell sollte man meinen. Ältere, pflegebedürftige Personen, die nach wie vor in den eigenen vier Wänden wohnen, lassen sich eine meist polnische Alltagshilfe für jeweils einige Monate vermitteln, die ihnen nicht nur im Haushalt sondern ebenso pflegetechnisch behilflich ist und als Gegenleistung neben einer Bezahlung bei ihnen wohnt.

Dank dieses Modells ist es den älteren Personen weiterhin möglich, in der trauten Umgebung zu bleiben
und nicht in ein Pflegeheim umziehen zu müssen. Soweit so gut. Zur Verwunderung vieler Angehöriger schaltete sich oft Jahre später die Deutsche Rentenversicherung (DRV) ein und fordert rückwirkend Sozialabgaben für die Alltagshelferinnen.

Hintergrund: Nach der Auffassung der DRV handelt es sich bei den ausländischen Pflegekräften nicht um Selbstständige sondern um Angestellte, sodass der Arbeitgeber, die pflegebedürftige Person, für die Sozialabgaben aufkommen müsse. Begleitet wird diese Aufforderung häufig von einem strafrechtlichen Ermittlungsverfahren wegen des
Verdachts des Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt. Die Rolle der Vermittlungsagentur, die stets für einen reibungslosen Wechsel zwischen den Alltagshelferinnen sowie eventuellen Ersatz sorgte, blieb oftmals ungeklärt. Zu Unrecht, sodas Sozialgericht Trier, ebenso das Landessozialgericht RLP.

So wies letzteres eine Berufung der Deutschen Rentenversicherung zurück, nachdem das Sozialgericht Trier entschieden hatte, dass die pflegebedürftigen Personen nach den vorliegenden Umständen nicht als Arbeitgeber zu bewerten sind und daher entsprechende Sozialversicherungsbeiträge von den Betroffenen nicht geschuldet waren. Vielmehr wurde der DRV aufgegeben, Nachforschungen zu betreiben, um ihre Forderungen zu belegen.

Wir haben dies zum Anlas genommen, den Prozessbevollmächtigten der Kläger, Rechtsanwalt Johannes Haufs-Brusberg über die Hintergründe zu befragen.

Herr HaufsBrusberg erklärt: Nach einem mehrjährigen Klageverfahren konnte den Klägern zum Recht verholfen werden. Das Gericht hat vollkommen zutreffend die DRV mehrfach darauf hingewiesen, dass die nachträgliche Forderung von Sozialabgaben und die Behauptung, dass es sich bei den meist älteren Herrschaften um angebliche Arbeitgeber handele, dezidiert begründet werden muss. So war im Klageverfahren zu beobachten, dass die DRV in vielen Parallelverfahren stets gleich argumentierte ohne sich dezidiert mit den speziellen Umständen des Einzelfalles
auseinanderzusetzen.

Lokalo: Welche Umstände wären dies denn, die in jedem Einzelfall unterschiedlich zu bewerten wären?
Rechtsanwalt Johannes Haufs-Brusberg: Bis zuletzt wurde seitens der Kläger zutreffend bemängelt, dass sich die DRV weder mit dem expliziten Gesundheitszustand der Betroffenen, der Sprachbarriere, oder mit der Rolle der Vermittlungsagentur hinreichend auseinandergesetzt hatte. So ist es für jedermann nachvollziehbar, dass beispielsweise eine demente, bettlägerige Person, die der polnischen Sprache nicht mächtig ist, keine Arbeitsanweisungen erteilen kann, was jedoch für die Frage, ob jemand als Arbeitgeber zu bewerten ist, mit entscheidend sein kann. Weiter blieb bis zuletzt fraglich, wie die Vermittlungsagentur, die stets Weisungen erteilte und Kontrollen durchführte, zu bewerten sei.

Lokalo: Gilt die Entscheidung des Landessozialgerichts nun für alle Betroffenen, die ebenfalls von der DRV eine Forderung erhalten?

Rechtsanwalt Johannes Haufs-Brusberg erklärt: Es kommt drauf an. So sind stets die Gegeben- und Besonderheiten jedes einzelnen Falles entscheidend. Jedoch hat sich in diversen gleichgelagerten und unsererseits geführten parallelen Klageverfahren, die ebenfalls seitens des Sozialgerichts Trier im Sinne der Kläger
entschieden wurden, gezeigt, dass die DRV die Berufungen bisher zurückgenommen hat.

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