TRIER. Bereits im vergangenen November warnte der Landesverband Tafel Rheinland-Pfalz/Saarland, dass der Andrang bei den Tafeln immer größer werde (Lokalo berichtete). Die Nachfrage habe um 20 Prozent zugenommen, hieß es damals. Grund seien u.a. die gestiegenen Lebensmittelpreise. Seither hat die Inflation weiter zugenommen, auch bedingt durch den Krieg in der Ukraine, der zudem u.a. dazu geführt hat, das mittlerweile rund 600.000 Geflüchtete aus dem geschundenen Land nach Deutschland gekommen sind, wie aus einer Analyse des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge hervorgeht.
Von Alexander Scheidweiler
Um zu erfahren, wie die Situation vor Ort ist, hat Lokalo bei Regina Bergmann nachgefragt, der Geschäftsführerin des Sozialdienstes katholischer Frauen (SKF) in Trier, zu dem die Trierer Tafel in der Weberbach gehört. Bergmann berichtet, dass bereits seit 2015, also seit der durch den syrischen Bürgerkrieg ausgelösten Flüchtlingskrise, eine gesteigerte Nachfrage zu beobachten ist. Allerdings sei es u.a. durch die Beratung der Bedürftigen durch den SKF gelungen, viele der Menschen, die damals zur Trierer Tafel kamen, dahin zu bringen, wieder von gespendeten Lebensmitteln unabhängig zu werden. Dies sei auch das Ziel der Beratung, so Bergmann.
Eine neuerliche Verschärfung sei dann in der Corona-Pandemie eingetreten, erklärt Bergmann weiter. Die wirtschaftlichen Verwerfungen der Pandemie verschlechterten die Situation v.a. bei jenen Menschen, die ohnedies bereits zu den sozial Schwachen gehörten: „Viele kamen aus der Not einfach nicht mehr raus“, sagt Bergmann. Wenn dann noch andere Faktoren hinzukamen, etwa eine Lohnsteuernachzahlung, wandten sich viele an die Tafel. Glücklicherweise versetzten Spenden die Trierer Tafel während der Pandemie in die Lage, Lebensmittelgutscheine im Wert von 130.000 Euro auszugeben.
Mittlerweile kämen auch viele Geflüchtete aus der Ukraine, sagt Bergmann, etwa 70 bis 100 Personen pro Woche seien es in den ersten Kriegswochen gewesen. Es gebe aber eine Warteliste mit gegenwärtig sechsmonatiger Wartezeit, um Tafelkunde zu werden. Man habe dann sofort Flyer auf russisch und ukrainisch drucken lassen. In der Arbeit mit den ukrainischen Geflüchteten, die Anspruch auf Leitungen haben, bewähre sich die ehrenamtliche Arbeit in der Beratung, da Ukrainer Anspruch auf staatliche Leistungen haben.
Das Grundproblem sei aber, dass bei immer mehr Menschen das Geld einfach nicht reicht, erläutert Bergmann. Eine Anhebung des Regelsatzes für das Arbeitslosengeld II um drei Euro sei bei einer Inflation von sieben Prozent schlicht zu wenig, zumal zusehends nicht nur Hartz-VI-Empfänger betroffen seinen, sondern ganz allgemein Geringverdiener und häufig auch Alleinerziehende. Erschwerend kam in der Pandemie und seit der russischen Invasion in der Ukraine die Hamstermentalität hinzu: Gerade günstige Lebensmittel wurden von Hamsterkäufern quasi weggekauft – und die Käufer gehörten häufig nicht selbst zu den Ärmsten, kritisiert Bergmann.
Ganz grundsätzlich müsse man sich im Klaren sein, dass die sozialen Probleme, die Menschen zum Bezug gespendeter Lebensmittel trieben, nicht durch das Ehrenamt der Tafel-Mitarbeiter und -Mitarbeiterinnen gelöst werden könne: „Wir sehen, dass Ehrenamt an Grenzen kommt, wenn kein Hauptamt da ist“, sagt Bergmann. Die Politik zeige zwar Anerkennung für das Engagement der Ehrenamtlichen, dürfe dies aber gerne noch etwas deutlicher tun. Zudem könne das bürgerschaftliche und karitative Engagement der Ehrenamtlichen staatliche Sozialpolitik nicht ersetzen: „Es braucht auf der politischen Ebene eine systematische Armutsbekämpfungspolitik. Wir können das so nicht weiterlaufen lassen“, fügt die Geschäftsführerin des SKF Trier hinzu.
Dabei gelte es zu bedenken, dass das Abrutschen in die Armut mit sozialer Ausgrenzung verbunden sei, die den Nährboden für rechtspopulistische Tendenzen in der Politik bereiten könne, warnt Bergmann im Gespräch mit Lokalo. Die Abhängigkeit werde nämlich von vielen Betroffenen als Verlust ihrer Würde erlebt. Zwar sei es stets das Ziel der Tafel zu verhindern, dass noch genießbare Lebensmittel vernichtet werden, jedoch: „Es ist nicht würdevoll, auf Dauer in der Schlange zu stehen, um Reste in Empfang zu nehmen.“