Trier: Klägerin über Entscheidung zur Triage «erleichtert»

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TRIER/KARLSRUHE. Nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur sogenannten Triage und zum Schutz von Menschen mit Behinderungen hat sich Klägerin Nancy Poser in Trier «erleichtert» gezeigt.

«Wir sind alle erleichtert. Für mich als Juristin war es sehr wichtig gewesen zu wissen, dass man sich auf die Verfassung verlassen kann», sagte die Richterin am Amtsgericht Trier am Dienstag der Deutschen Presse-Agentur. Die 42-Jährige hatte mit acht weiteren Menschen mit Behinderungen und Vorerkrankungen Verfassungsbeschwerde eingelegt.

Freude verspüre sie nach dem Richterspruch nicht. «Freude kann man nicht sagen, denn es geht um Triage. Das ist ein Thema, da kann es keine Freude geben – egal nach welche Kriterien entschieden wird, es ist immer tragisch», sagte die 42-Jährige, die an einer spinalen Muskelatrophie leidet. Aber eben Erleichterung: «Weil das Grundgesetz Menschen mit Behinderungen schützt und das Verfassungsgericht auch in Anbetracht dieser Krisensituation die Grundrechte von Menschen mit Behinderungen wahrt.»

Das Karlsruher Gericht hatte entschieden, der Bundestag müsse «unverzüglich» Vorkehrungen zum Schutz von Menschen mit Behinderungen im Fall einer Triage treffen, also wenn Ärzte entscheiden müssen, wen sie angesichts knapper Ressourcen retten und wen nicht. Bei der Umsetzung habe der Gesetzgeber Spielräume. (Az. 1 BvR 1541/20)

Poser sagte: «Wir hoffe, dass der Gesetzgeber da schnell tätig wird und Regelungen trifft zu unserem Schutz». Triage sei immer tragisch, «aber es ist was anderes, ob dabei auch noch Menschen diskriminiert werden aufgrund ihre Behinderung», sagte sie. Das Verfassungsgericht habe «hier ganz klar festgestellt, dass der Gesetzgeber seine Schutzpflicht verletzt hat». Poser sitzt im Rollstuhl und lebt mit Assistenz.

Das Wort Triage stammt vom französischen Verb «trier», das «sortieren» oder «aussuchen» bedeutet. Es beschreibt eine Situation, in der Ärzte entscheiden müssen, wen sie retten und wen nicht – zum Beispiel, weil so viele schwerstkranke Corona-Patienten in die Krankenhäuser kommen, dass es nicht genug Intensivbetten gibt.

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3 Kommentare

  1. Ich weiß nicht so recht, was man davon halten soll? Ein Gesundheitssystem zugrunde gerichtet – Ärzte die aufgrund von Kosten nur noch minimale Zeit aufwenden (können/wollen/dürfen) und per Daumen Diagnostik praktizieren, denen soll jetzt eine so schwerwiegende Entscheidung angelastet werden? Rette ich jemand mit weniger Lebenserwartung gegenüber jemand der evtl. gerade mitten im Leben steht? Wäre es dahingehend nicht sinniger, die Infrastruktur aufzubauen und da Geld zu investieren, anstatt das Geld sinnlos in der ganzen Welt zu verteilen? Dann müssten wir über solche Dinge gar nicht erst nachdenken bzw. entscheiden.

  2. Hat man sich inhaltlich mit dem Artikel und den Äusserungen einmal auseinandersetzt?

    So klagten behinderte Menschen, OHNE überhaupt in ihren Grundrechten verletzt zu sein, vor dem BVerfG prophylaktisch darauf, dass der Gesetzgeber eine Regelung zur Triage (Auswahl nach Lebenswert bei nicht ausreichenden Ressourcen) treffen müsse. Das BVerfG kam dem nach.

    Ich empfehle allen Ungeimpften das BVerfG nunmehr mit Klagen zu überhäufen, dass solch eine Regelung auch für Ungeimpfte geschaffen werden muss!

    Was hat das BVerfG nun konkret mit seinem Urteil geleistet? Es verweist die Angelegenheit nämlich einfach an den Gesetzgeber und entledigt sich damit seiner Verantwortung!

    Meiner Einschätzung nach hat die Klägerin das trotz juristischer Vorbildung nicht verstanden oder ihr Anwalt hat es ihr nicht richtig erklärt.

    Das BVG hätte die Klage bereits wegen „Nichtbetroffenheit der Kläger “ als unzulässig abweisen müssen. Zumal eine Grundrechtsverletzung noch nicht einmal absehbar war.

    Im Urteil steht folgendes: “ Der Gesetzgeber muss „unverzüglich“ Vorkehrungen zum Schutz von Menschen mit Behinderungen im Fall einer sogenannten Triage treffen. “

    Korrekt müsste es wohl heißen “für den Fall einer Triage“. Ich will nun hier keine Juristenschelte betreiben. Dieser Satz könnte dahingehend interpretiert werden, dass Behinderte besonders schutzwürdig seien, und setzt dadurch die entscheidenden Mediziner unzulässig unter Druck.

    Weder der abstrakte “Gesetzgeber“, noch irgendwelche Richter haben sich in absoluten Ausnahmesituationen in die konkreten Entscheidungen von Rettungskräften oder Medizinern einzumischen. Ich als Arzt würde im Falle einer zwingenden Triage-Entscheidung künftig einfach beide Patienten sterben lassen. Denn gleich wie ich es machte, nach dieser Entscheidung des BVerfG stünde ich zumindest mit einem Bein bereits im Gefängnis.

    Ich bezweifle dass es wirklich schlau ist Regelungen durch Politiker ohne medizinische Fachkenntnisse festlegen zu lassen.Schuld wird IMMER DER ARZT sein! Dessen Entscheidungen werden dann in Frage gestellt nachdem Autopsie und andere Erkenntnisse vorliegen, die der Arzt zum ENTSCHEIDUNGSPUNKT GAR NICHT HATTE. Insofern bleibt für jeden Arzt in Anbetracht des Urteils nur folgende Konsequenz: Vor JEDER Entscheidung schriftlich nachvollziehbar beim Gesundheitsminister nachfragen und sich die richtige Rechtsanwendung bestätigen lassen!

    Ob die Kläger das erreichen wollten?

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