Vierte Corona-Welle: Krankenhäuser in Rheinland-Pfalz stoßen an Grenzen

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Foto: dpa/Symbolbild

MAINZ. Angesichts der Corona-Neuinfektionen geht die Sorge um, dass Kliniken an ihre Grenzen stoßen. «Wir fahren im Nebel ohne GPS», warnt das Intensivregister der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin. Wie ist die Lage in Rheinland-Pfalz?

Galoppierende Corona-Inzidenzen sorgen in einigen Regionen Deutschlands für Alarmstimmung. Vielerorts ist die Rede von einer «Pandemie der Ungeimpften» – heißt: dass vor allem Ungeimpfte sich anstecken und das Virus weiterverbreiten. Wie schätzen Krankenhäuser in Rheinland-Pfalz die Lage ein?

«Wir sehen klar, dass die Impfungen wirken», heißt es von Seiten der Universitätsmedizin der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz. Die Sterblichkeit von Covid-19-Patienten auf den Intensivstationen sei im Vergleich zu den ersten beiden Wellen zurückgegangen. «Wir sehen aber auch Durchbrüche bei Geimpften, diese weisen jedoch meist ein hohes Alter oder eine Vorerkrankung auf. Gerade deshalb sind Booster-Impfungen insbesondere für diese Gruppen zu begrüßen.»

Jeder neue Patient und jede neue Patientin stelle für die Klinik eine Herausforderung dar. Der Anstieg der bundesweiten Infektionszahlen zeige, dass die Pandemie noch nicht vorbei sei. «Es bleibt wichtig, die Schutzmaßnahmen weiter anzuwenden und Rücksicht zu nehmen auf die Menschen und auf unser Gesundheitssystem.»

Kerstin Macher, Pressesprecherin vom Gemeinschaftsklinikum Mittelrhein in Koblenz sagt, die Zahl der Corona-Infektionen sei bei Ungeimpften höher und die Verläufe deutlich schwerer. «Dennoch muss festgestellt werden, dass das Risiko einer Infektion auch nach einer Impfung gegeben ist.» Von einer «Pandemie der Ungeimpften» wolle sie daher nicht uneingeschränkt sprechen. Auch in Koblenz stiegen wieder die Covid-Fälle an. «Und eben auch die, welche aufgrund der Infektion in eine stationäre Behandlung überführt werden müssen.»

Aktuell sei die Covid-Lage am Gemeinschaftsklinikum Mittelrhein zu beherrschen, und die Fallzahl liege unter den «Hochphasen» im Jahr 2020, erklärt Macher. Und mit Blick auf Pläne der Politik sagt sie: «Bei konsequenter Umsetzung der gebotenen Vorsichts- und Vorkehrungsmaßnahmen, wozu auch ganz klar die Testpflicht und die Impfungen gehören, kann ein Ende der epidemischen Lage durchaus umsetzbar sein.»

Der Ärztliche Direktor des Westpfalz-Klinikums in Kaiserslautern, Christian Mönch, betont: «Natürlich wird die Pandemie im Wesentlichen dadurch unterhalten, dass wir noch so viele Ungeimpfte haben.» Man stelle aber auch fest, dass sich Geimpfte infizieren und andere anstecken könnten. «Es ist vielmehr die Kombination aus mehreren Faktoren, die gerade die momentane Situation antreibt: Geimpfte brauchen dringend die Booster-Impfung, weil der Impfschutz allmählich nachlässt.» Zusätzlich habe man immer noch zu viele Ungeimpfte in Deutschland, und die Kinder brächten das Virus von der Schule nach Hause – wo sie weitere Familienmitglieder ansteckten.

«Momentan ist die Situation im Westpfalz-Klinikum zwar angespannt, aber noch entfernt von dem, wie es in der letzten Welle war», sagt Mönch. In ein paar Wochen könne sich die Lage aber wieder zugespitzt haben. «Ein Ende der epidemischen Lage zu erklären, wäre daher ein großer Fehler. Es ist zu erwarten, dass diese Welle genauso schlimm sein wird wie die letzten – wenn nicht noch schlimmer. Denn so viele Infizierte in Deutschland wie jetzt hatten wir noch nie», meint er.

Im Brüderkrankenhaus Trier stelle man derzeit fest, dass es sich bei intensivpflichtigen Covid-Patienten vor allem um Ungeimpfte handele. «Dabei könnte man mit einer höheren Impfquote die Zahl schwerer Covid-Verläufe verringern», sagt Tim Piepho, Chefarzt der Abteilung für Anästhesie und Intensivmedizin. Im Bereich der Normalstation, auf der man weniger schwere Fälle betreue, sei die Quote der geimpften Patienten höher als auf der Intensivstation, erzählt der Professor.

Falls der Anstieg so weitergehe, bestehe die Gefahr, dass Krankenhäuser wieder an Kapazitätsgrenzen stießen und Eingriffe verschieben müssten. «Schon jetzt melden einige Krankenhäuser der Region, dass sie keine weiteren Patienten versorgen können.» Im vergangenen Jahr konnte der Anstieg der Intensivpatienten durch einen Lockdown gebremst werden. Dies sei momentan politisch nicht erkennbar. «Wir müssen damit rechnen, dass die Zahl der Patienten deutlich steigen wird und viele Krankenhäuser überlastet werden», sagt Piepho. Zudem gebe es deutlich weniger Intensivbetten als 2020 – vor allem durch den Fachkräftemangel in der gesamten Branche. (dpa)

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