RLP: Landesweite Großrazzia gegen Kindesmissbrauch

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Foto: Arne Dedert / dpa

MAINZ/REGION TRIER. Rund 700 Datenträger Handys, Laptops, Festplatten, USB-Sticks und andere Speichermedien wurden sichergestellt, wie Innenminister Roger Lewentz (SPD) in Mainz sagte. Ein wegen versuchter Tötung mit Haftbefehl gesuchter 27-Jährigen sei festgenommen worden, berichtete das Landeskriminalamt (LKA), weitere Festnahmen gab es nicht.

Beschuldigt werden 9 Frauen und 109 Jungen und Männer im Alter von 14 bis 77 Jahren, sagte der LKA-Vizepräsident Achim Füssel. Nicht alle 137 Durchsuchungsbefehle hätten vollstreckt werden können, weil einige die Bewohner nicht angetroffen wurden. Bei dem Einsatz seien 267 Einsatzkräfte seit fünf Uhr morgens im Einsatz gewesen. Sie fanden zudem eine Schreckschusswaffe, zwei Messer und geringe Mengen Drogen.

Von den 118 durchsuchten Wohnungen liegen 38 im Einsatzgebiet des Polizeipräsidiums Mainz, 26 gehören zum Polizeipräsidium Rheinpfalz, 22 in den Raum Trier, 21 in die Region Koblenz und 11 in das Einzugsgebiet Westpfalz.

Der größte Teil der Hinweise auf die Beschuldigten stamme aus den USA von amerikanischen Providern, sagte LKA-Chef Johannes Kunz. Es handele sich um einzelne Fälle, ergänzte Füssel. Die Beschuldigten fänden sich aber auch zu Gruppen zusammen, um kinderpornografische Bilder auszutauschen. „Bei den Durchsuchungen erlangen wir weitere Erkenntnisse, da erweitert sich dann der Kreis.“

Kindesmissbrauch und die Verbreitung von Abbildungen sexuellen Missbrauchs von Kindern steigen nach der Polizeilichen Kriminalstatistik deutlich. Im ersten Halbjahr 2021 seien bereits 318 Fälle sexuellen Missbrauchs von Jungen und Mädchen registriert worden (plus 3,6 Prozent). Bei der Verbreitung der Abbildungen solcher Straftaten betrug das Plus im Vergleich zum Vorjahreszeitraum fast 86 Prozent – auf 871 Taten.

Die Meldungen solcher Fälle aus den USA seien explosionsartig gestiegen, sagte Kunz. „Die Maschinen arbeiten weitgehend treffsicher.“ Die Provider hätten zudem ihre Mechanismen verfeinert und fänden mehr. Von Februar 2022 an gelte diese Meldepflicht auch für deutsche Provider – ans Bundeskriminalamt. Kunz rechnet dann mit täglich 30 neuen Fällen allein in Rheinland-Pfalz.

Die zunehmende Nutzung von Smartphones und anderen internetfähigen Endgeräten nannte Lewentz als einen weiteren Grund für den Anstieg. Dazu komme die Corona-Pandemie als „zusätzlicher Risikofaktor“, sagte Kunz. Die Zeit, die Jungen und Mädchen unabhängig von der Schule im Internet verbringen, sei im Lockdown und in Zeiten von Homeschooling deutlich gestiegen. Damit aber etwa auch das Cybergrooming, bei dem Täter etwa in Chats Kontakt zu Kindern und Jugendlichen suchen.

Kunz sieht aber auch Fortschritte bei den Ermittlungsmethoden: So blieben immer weniger Anfragen im Wege der Rechtshilfe ins außereuropäische Ausland unbeantwortet. Innerhalb Europas könnten die Polizeidienststellen über einen Kanal inzwischen direkt miteinander kommunizieren. Das neue Gesetz zum Erwerb, Besitz und der Verbreitung von Kinderpornografie mache zudem Telefonüberwachungen und Onlinedurchsuchungen einfacher und biete einen neuen U-Haftgrund, sagte Füssel.

Im ersten Halbjahr seien bereits 1901 Strafanzeigen wegen des Missbrauchs von Kindern und der Verbreitung entsprechender Bilder eingegangen, sagte Füssel. In mehr als einem Viertel der Fälle habe es Durchsuchungen gegeben, wobei die Polizei in 90 Prozent fündig geworden sei. Gegen 1375 Tatverdächtige werde ermittelt, drei seien deshalb in U-Haft und gegen einen ein Haftbefehl vollstreckt worden.

„Kein Täter, der solche widerwärtigen und abscheulichen Taten begeht, darf sich in Rheinland-Pfalz sicher fühlen“, betonte Lewentz. „Die widerwärtigen Missbrauchstaten hinterlassen bei den wehrlosen Opfern nicht nur körperliche, sondern regelmäßig auch seelische Leiden, die sie oft sogar bis an ihr Lebensende begleiten.“

„Die Verfügbarkeit und die zunehmende Nutzung elektronischer Medien wie Facebook und WhatsApp fördern die schnelle Verbreitung von Bild- und Videodateien an große Nutzergruppen“, stellt das LKA fest. Abbildungen von Kindesmissbrauch würden auch zwischen Schülerinnen und Schülern innerhalb von Chatgruppen geteilt. „Hierbei wirken gruppendynamische Prozesse, die zu einer Herabsetzung von Hemmschwellen und auch des Unrechtsbewusstseins führen können.“

 

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