Bündnis sieht gleichwertige Lebensverhältnisse in Rheinland-Pfalz in Gefahr

Mehr als die Hälfte der am höchsten verschuldeten Städte und Kreise liegt in Rheinland-Pfalz. Der Kommunale Finanzausgleich muss nach einem Urteil neu geregelt werden und die Pandemie vertieft die finanziellen Löcher. Anlass für einen Appell an die neue Landesregierung.

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Foto: dpa (Symbolbild)

MAINZ. Die neue Landesregierung in Rheinland-Pfalz muss nach Ansicht eines breiten gesellschaftlichen Bündnisses die finanzielle Ausstattung der Kommunen deutlich verbessern.

«Den Kommunen fehlt es zunehmend an Geld, um die immer weiter wachsenden Aufgaben bewältigen zu können und den Investitionsstau abzubauen», sagte der DGB-Landesvorsitzende und Initiator des Bündnis, Dietmar Muscheid, am Donnerstag in Mainz. «Die Kommunen müssen finanziell so ausgestattet werden, dass sie handlungsfähig werden und bleiben.»

Dazu gehöre auch eine Altschuldenregelung. 11 der 20 am höchsten verschuldeten Kommunen und Kreise in Deutschland liegen in Rheinland-Pfalz. Die neue Landesregierung solle sich im Bundesrat für eine Umsetzung des Angebots von Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) zur Übernahme der Altschulden einsetzen, forderten Muscheid und der Vorsitzende des Gemeinde- und Städtebunds, Ralph Spiegler (SPD). Der Investitionsstau bei Brücken, Schulen, Schwimmbädern und Kultureinrichtungen könne nur ohne Altschulden abgebaut werden.

Kommunale Spitzenverbände, Handwerks-, Industrie- und Handelskammern haben sich auf DGB-Initiative zusammengeschlossen. In einem gemeinsamen Appell an die künftige Landesregierung fordern sie, gleichwertige Lebensverhältnisse herzustellen. Die Pandemie verschärfe die «desolate Finanzlage» noch. «Die Einnahmebasis der Kommunen muss strukturell und dauerhaft verbessert werden», lautet die zentrale Forderung. Der Vorsitzende der CDU-Landtagsfraktion, Christian Baldauf, und der kommunalpolitische Sprecher der CDU-Fraktion, Gordon Schnieder, boten dem Bündnis ihre Mitarbeit an.

«Die Kommunen sind der größte Investor der öffentlichen Hand», sagte Spiegler vom Gemeinde- und Städtebund. Rund 40 Prozent der Gemeinden hätten ein negatives Finanz-Saldo. Er forderte ein neues Corona-Hilfspaket von Bund und Land, das aber nicht nur Gewerbe-, sondern auch Einkommensteuerausfälle kompensiere, weil sonst das «flache Land» nicht davon profitiere. Kurt Krautscheid, Sprecher der Arbeitsgemeinschaft der Handwerkskammern Rheinland-Pfalz, warnte: «Es wäre schlimm, wenn jetzt ein Sparkurs der Kommunen einsetzen würde.»

Immer mehr Pflichtaufgaben liefen über den Kommunalen Finanzausgleich, kritisierte der Vorsitzende des Landkreistags, Günther Schartz (CDU). Er forderte eine «saubere Gesetzesfolgenabschätzung aufzubauen». Das Land sei nach dem Urteil des Verfassungsgerichtshofs verpflichtet, den Finanzausgleich vom Kopf auf die Füße zu stellen und die Kommunen mit den Mitteln auszustatten, die sie bräuchten, um ihre Aufgaben erfüllen zu können. «Wir brauchen eine dauerhafte finanzielle Grundlage, die uns Liquidität ermöglicht.»

Eine Querfinanzierung wäre zu wenig, ergänzte Spiegler. «Wir brauchen insgesamt mehr Geld vom Land – und zwar deutlich mehr als die 50 Millionen vor wenigen Jahren». Zudem müsse gelten: «Die, die bestellen, müssen die finanziellen Auswirkungen tragen.»

«Die Handlungsfähigkeit der Kommunen ist ganz entscheidend dafür, dass die Menschen das Vertrauen in staatliches Handeln nicht verlieren», sagte der Mainzer Oberbürgermeister und Vorsitzende des Städtetags, Michael Ebling (SPD). «Wir müssen nicht nur kompensieren, was der Landtag beschließt. Unser Ausgabenproblem ist der Deutsche Bundestag», sagte Ebling. Allein die Ausgaben für die Eingliederungshilfe stiegen jedes Jahr um 2,2 Prozent.

Der Hauptgeschäftsführer der IHK Rheinhessen, Günter Jertz, sprach sich gegen eine «überzogene Erhöhung» von Gewerbe- und Grundsteuern aus, wie sie Landesrechnungshof und Landesregierung für die Kommunen forderten. Damit werde es ungleich schwerer, die wirtschaftlichen Folgen der Pandemie zu bewältigen.

«Unseren Kommunen muss finanziell geholfen werden – keine Frage», stellt der Steuerzahlerbund vor allem mit Blick auf die Kassenkredite fest. «Allerdings ist der Wunsch des Bündnisses nach einer schnellen und vollständigen Tilgung der kommunalen Altschulden durch das Land verfassungsrechtlich nicht umsetzbar», sagte Geschäftsführer René Quante. «Das Land Rheinland-Pfalz kann nicht einfach so fünf bis sechs Milliarden Euro an kommunalen Kassenkrediten übernehmen, ohne selbst die Schuldenbremse zu brechen.» Eine stufenweise erfolgende Entschuldung im Rahmen der finanziellen Möglichkeiten des Landes werde mindestens ein bis zwei Jahrzehnte in Anspruch nehmen.

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