Viele unserer Leser haben sich gefragt, wie sich die Coronakrise auf etwaige Insolvenzanträge von Unternehmen, Selbstständigen und Verbrauchern auswirkt und ob dahingehend Fristen zu beachten sind. Wir haben daher bei unserer Partnerkanzlei Rechtsanwälte Haufs-Brusberg & Kollegen einmal nachgefragt<.
Rechtsanwalt Johannes Haufs-Brusberg erklärt:
Erst einmal ist es wichtig zu verstehen, was eine Insolvenzantragspflicht überhaupt bedeutet. So ist im Gesetz klar geregelt, dass Unternehmen bzw. deren Vertreter im Falle einer Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung einen solchen Antrag unverzüglich zu stellen haben.
Dieser Antrag ist spätestens drei Wochen nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit und sechs Wochen nach Eintritt der Überschuldung beim zuständigen Gericht zu stellen. Ausgenommen sind Selbstständige und Verbraucher.
Aufgrund der Covid-19-Pandemie sah sich der Gesetzgeber jedoch veranlasst, jene knappen Fristen bis zum 30.09.2020 teilweise auszusetzen, dies jedoch nur für jene Fälle, in denen die Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung auf den Folgen der Covid19-Pandemie beruhte. Ebenso war Voraussetzung, dass eine Aussicht auf Beseitigung der Zahlungsunfähigkeit bestand. Flankiert wurde diese Neuregelung durch weitere Maßnahmen zur Reduzierung von Haftungs und Anfechtungsrisiken der betroffenen Geschäftsleiter, Unternehmen und deren Gläubiger und Geschäftspartner. Zudem war die Möglichkeit von Gläubigern, durch Insolvenzanträge Insolvenzverfahren zu erzwingen, für drei Monate eingeschränkt.
Lokalo: Gelten diese Regelungen auch nach dem 30.09.2020?
Rechtsanwalt Haufs-Brusberg: Auch nach jenem Zeitpunkt ist der Gesetzgeber in der Form tätig geworden, dass die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht zuerst bis zum 31.12.2020 verlängert wurde. Dies
jedoch nur für Unternehmen, die überschuldet, aber gerade nicht zahlungsunfähig sind. Der Unterschied liegt darin, dass Überschuldung vorliegt, wenn das Vermögen des Schuldners die bestehenden Verbindlichkeiten nicht mehr deckt, es sei denn, die Fortführung des Unternehmens in den nächsten zwölf Monaten ist nach den Umständen überwiegend
wahrscheinlich, hingegen von einer Zahlungsunfähig auszugehen ist, wenn keine Möglichkeit besteht, die fälligen Zahlungspflichten zu erfüllen. Zahlungsunfähigkeit ist in der Regel anzunehmen, wenn der Schuldner seine Zahlungen eingestellt hat.
Flankiert wurde dies abermals mit weiteren Regelungen zur Reduzierung von Haftungs- und Anfechtungsrisiken. Doch auch im Jahr 2021 wurde bis zum 31.01.2021 für jene Unternehmen die Antragsfrist ausgesetzt, die einen Anspruch auf die Gewährung finanzieller Hilfeleistungen im Rahmen staatlicher Hilfsprogramme zur Abmilderung der Folgen der Covid19-Pandemie (sogenannte November-Dezember-Hilfen) haben.
Weitere Voraussetzung ist jedoch, dass ein entsprechender Antrag auf Hilfsleistung im Zeitraum vom 01.11.2020 bis 31.12.2020 gestellt wurde. War eine Antragstellung aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen innerhalb des Zeitraums nicht möglich, wird ebenfalls die Insolvenzantragspflicht ausgesetzt, dies gilt jedoch nicht, wenn offensichtlich keine Aussicht auf Erlangung der Hilfeleistung besteht, oder die mögliche Hilfsleistung für die Beseitigung der Insolvenzreife unzureichend ist. Für die Prognose der Überschuldung werden nur vier statt zwölf Monate zugrunde gelegt. Letztmalig soll die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht bis zum 30.04.2021 verlängert werden, jedoch ebenso nur in jenen Fällen, in denen der Schuldner einen Anspruch auf finanzielle Hilfe aus den Coronahilfen hat und deren Auszahlung noch aussteht. Diese Hilfe muss bis zum 28.02.2021 beantragt werden, wenn diese zur Beseitigung der Insolvenzreife geeignet ist. Die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht gilt aber nur, wenn die Krise
pandemiebedingt ist und mit einer Auszahlung der Hilfe zu rechnen ist.
Lokalo: Welche Folgen kommen auf die Unternehmen bzw. deren Vertreter zu, wenn sie eigentlich einen Insolvenzantrag stellen müssten, es jedoch bewusst nicht tun?
Rechtsanwalt Haufs-Brusberg: Die fehlende oder zu späte Antragstellung wird als sogenannte Insolvenzverschleppung, früher Konkursverschleppung, strafrechtlich geahndet. Dabei droht der Gesetzgeber mit einer
Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren oder Geldstrafe und im Falle der fahrlässigen Begehung bis zu einem Jahr oder Geldstrafe. Daneben stehen weitere Straftaten wie Bankrott, Schuldner-Gläubigerbegünstigung, Steuerhinterziehung, Untreue, Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt und Betrug als mögliche Delikte im Raum. Weiter entsteht in einem solchen Fall auch ein zivilrechtliches Haftungsrisiko dahingehend, dass der verantwortliche Vertreter für jene Zahlungen, die nach Eintritt der Insolvenzreife dennoch erfolgt sind, persönlich haften kann.
Lokalo: Gelten diese Regelungen der verlängerten Fristen auch für Privatpersonen?
Rechtsanwalt Haufs-Brusberg: Nein, da es bei diesen eine solche Antragsfristen nicht gibt. Doch auch bei sogenannten Verbraucherinsolvenzen bzw. Privatinsolvenzen hat sich etwas getan. In der Regel dauert ein
solches Verfahren sechs Jahre, Verfahren ab dem 01.10.2020 können u.U. nun jedoch innerhalb von nur drei Jahre vollzogen werden, ebenso wie jene, deren Antrag zwischen dem 17.12.2019 und dem 30.09.2020 gestellt wurde, unter weiteren Voraussetzungen verkürzt werden können. Selbstständige durchlaufen jedoch üblicherweise eine Regelinsolvenz.
Es bleibt somit festzuhalten, dass die Aussetzung der Antragspflicht und der entsprechenden Fristen nur unter speziellen Bedingungen gewährt werden, sodass jedes Unternehmen die Voraussetzungen anhand der eigenen wirtschaftlichen Situation zu bewerten hat.