Nach Todeswunsch auf demenzkranke Ehefrau geschossen: Bewährungsstrafe

Der Oberstaatsanwalt sprach von «Grenzen der Justiz», der Verteidiger von einer «tragischen Gesamtsituation»: Weil er den Todeswunsch seiner demenzkranken Frau erfüllen wollte, stand ein Rentner am Montag vor Gericht.

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Polizeiwagen mit Absperrband
Foto: dpa-Archiv

SAARBRÜCKEN. Seine an Demenz erkrankte Ehefrau äußert wohl einen Todeswunsch, der Mann will ihn erfüllen: Wegen versuchten Totschlags ist ein 80-Jähriger am Montag vom Landgericht Saarbrücken zu zwei Jahren auf Bewährung verurteilt worden.

Er hatte seiner Frau im September 2020 nach Überzeugung des Gerichts zweimal mit einer Schreckschusspistole ins Gesicht geschossen. Seine 77 Jahre alte Ehefrau soll aus Angst vor der Unterbringung in einer geschlossenen Einrichtung ihren Ehemann gebeten haben, sie zu töten. Die 77-Jährige ist inzwischen aufgrund einer anderen Krankheit gestorben.

Das Gericht folgte damit dem Antrag der Staatsanwaltschaft. Der Verteidiger hatte 18 Monate Bewährungsstrafe für tat- und schuldangemessen gehalten. Das Gericht verurteilte den Deutschen in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung (Az.: 1 Ks 36 Js 1602/20 (18/20).

Die Kammer ging nach dem Gutachten einer Psychiaterin davon aus, dass die Steuerungsfähigkeit des Rentners bei der Tat «erheblich gemindert» gewesen sei. Er sei mit der Pflege der Frau zunehmend überfordert gewesen, habe unter einer depressiven Erschöpfungssymptomatik gelitten und immer weniger Widerstandskraft gegen ihren erklärten Todeswunsch gehabt.

Als sich das Ehepaar am 14. September 2020 in der Ausfahrt eines Klinikums in Merzig befand, weil die Frau in ein Heim verlegt werden sollte, habe er einen Rettungssanitäter mit einer Schreckschusspistole aufgefordert, die beiden allein zu lassen.

Danach soll er seiner Ehefrau, die in einem Transportstuhl saß, einen Schuss in den Mund und einen zweiten Schuss auf das linke Ohr versetzt haben. Da die Schüsse nicht tödlich waren und weitere Schüsse den Tod nicht hätten herbeiführen können, habe er von seinem Vorhaben abgelassen. Ursprünglich habe er geplant, sich im Anschluss an die Tat selbst zu töten.

Polizisten, die ihn kniend vor seiner Frau fanden, hatten gehört, wie er unter Tränen gesagt haben soll: «Ich wollte dich doch nur erlösen, wir wollten doch zusammen sterben.»

Auch vor Gericht weinte der Angeklagte, als er schilderte, wie die Demenz seiner Frau im vergangenen Jahr immer weiter vorangeschritten sei. Zuletzt sei sie nachts ständig aufgestanden, habe ihn nicht mehr erkannt und gefragt: «Können Sie mir bitte sagen, wo die Toilette ist?» Als sie sich später im Krankenhaus befand, habe sie jedes Mal, wenn er sie besucht habe, gefleht: «Bitte bring mich um, bitte bitte.»

Vor den Schüssen im September habe er sich «total leer» gefühlt. Erst in der zweiwöchigen Untersuchungshaft sei ihm später bewusst geworden, «dass ich diese schreckliche Tat gemacht habe.»

Verteidiger Hans-Peter Dillschneider sprach von einer «tragischen Gesamtsituation»: Nach 55 Jahren gemeinsamen Lebens habe der Mann seiner Frau «einen letzten Liebesdienst erweisen, die größte Möglichkeit der Zuneigung zeigen» wollen.

Oberstaatsanwalt Raimund Weyand bilanzierte: «Es gibt Fälle, an denen das Strafrecht zwar nicht scheitert, aber bei denen die Grenzen des Strafrechts erreicht sind. Dieser ist einer davon.» Der Vorsitzende Richters Andreas Lauer kommentierte das Urteil so: «Es geht nicht an, auch nicht aus gut gemeinten Überlegungen, andere Menschen zu Tode bringen zu wollen.» Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

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