Update: Streit um Kündigung des Becker’s XO geht in die nächste Runde

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TRIER. Die überraschende Kündigung der Räumlichkeiten des Gastronomie-Ensembles „Becker’s XO“ durch die Unternehmensgruppe Gilbers & Baasch ist das Aus für Design, Lebensart und Kochkultur im historischen Posthof in der Trierer Innenstadt und das Ende eines innovativen Gastronomiekonzeptes, das für die Stadt und die Großregion eines der wenigen großstädtischen Besonderheiten war.

Mit der plötzlichen Kündigung wird der „Becker’s Genuss AG“ nach zwei Jahren arbeits- und kostenintensiver Aufbauarbeit für das „XO“ im Posthof die Geschäftsgrundlage entzogen. Der AG-Vorstand musste aufgrund juristischer Bestimmungen die Konsequenzen ziehen und einen Antrag auf ein Insolvenzverfahren stellen.

Im Jahre 1759 wurde der im Laufe der Zeit vielfach umgebaute Prachtbau am Kornmarkt nach einem Entwurf des Architekten und Hofbaumeisters des Trierer Kurfürsten Philipp von Walderdorff, Johannes Seiz, erstmalig in der Fleischstraße errichtet.

Nachdem der vorrangig als Postgebäude genutzte Gebäudekomplex im November 2010 von der luxemburgischen Objektgesellschaft „Trier Core S.A.“ um die Eigentümer und Hauptaktionäre Gregor Gilbers und Jens Baasch erworben wurde, beauftragten diese die Unternehmensgruppe Gilbers & Baasch, bei der beide die Position des Geschäftsführenden Gesellschafters ausfüllen, mit dem Management und der Entwicklung des Gebäudebestands und begannen damit, neue Nutzungsmöglichkeiten für die ehemalige kaiserliche Oberpostdirektion zu erarbeiten.

Einer der ersten Mieter des damals noch im Umbau befindlichen Stadtpalais war der Trierer DJ, Produzent und Gastronom Andy B. Jones, der die Wiedergeburt der historischen Immobilie im Frühjahr 2011 mit dem „Post Club“ erstmals einem breiten Publikum näherbrachte. Im Mai des selben Jahres fand dann mit der Kurzfilmnacht ein erfolgreiches Open-Air im Innenhof statt. In 2012 gastierte unter anderem auch das Theater Trier mit William Shakespeares „Ein Sommernachtstraum“ im Innenhof des Gebäudekomplexes und so hatte sich der Posthof schnell zu einer beliebten Location für Veranstaltungen jeglicher Art gewandelt und ist es bis heute.

Dieser attraktive Innenhof hatte auch den Trierer Sternekoch Wolfgang Becker angelockt, der mit der Kombination aus Restaurant, Bar und damals Deli den für sich idealen Standort seines innovativen Konzeptes „Becker’s XO“ gefunden hatte und bei der Eröffungsveranstaltung im Juni 2013 erheblichen Zuspruch und Anerkennung für die Cross-Over-Lokalität in dem Komplex erhalten hatte.

Durch die versteckte Innenhoflage und eine fehlende akzeptable Ausschilderung blieb das Laufpublikum im „XO“ weitestgehend aus, doch Becker hielt weiter an seiner Pionierarbeit fest. Die eigens gegründete „Becker’s Genuss Aktiengesellschaft“ investierte insgesamt rund 1,25 Millionen Euro in das Gastronomie-Ensemble. Erst im Juli wurde das Konzept neu justiert und das Deli durch die „Oxerei“ ersetzt, in der Becker gemeinsam mit Wolfgang Otto ein neues, bisher erfolgreich anlaufendes Konzept nach Trier brachten: Der hochwertige Imbiss verarbeitet beste Fleischsorten. Nicht zuletzt wollte man mit dieser Konzeptanpassung auch dem Zielpublikum des neuen Mitmieters, dem Hotel „Ibis Styles“, Rechnung tragen.

Laut den verantwortlichen Projektentwicklern wurde vor der Eröffnung des Posthofs betont, bei der Realisierung der Planung höchsten Wert auf eine gewissenhafte Prüfung zukünftiger Mieter und Nutzer für ein nachhaltiges Miteinander zu gewährleisten. Auch deshalb waren Mut und Wille zum Weitermachen nach Darstellung Beckers trotz der schwierigen finanziellen Lage ungebrochen.

Kurz vor dem Durchbruch zum wirtschaftlichen Erfolg, habe die „Becker’s Genuss AG“ dann die Kündigung der Räumlichkeiten der Gilbers & Baasch GbR erhalten.

Vorausgegangen waren Verhandlungen mit dem Vermieter über eine Mietminderung wegen hoher Umsatzeinbußen, die das „XO“ durch die über ein Jahr andauernde Hotel-Baustelle im Posthof zu beklagen hatte. Dauerhafter Lärm, extreme Verschmutzungen, vielfache Übergangslösungen in den unterschiedlichsten Bereichen. Zwei strittige Monatsmieten, die Becker Anfang des Jahres einbehalten hatte, sind laut Becker nun die Begründung des Vermieters für die Kündigung.

Die Kündigung des Mietvertrages erfolgte laut dem geschäftsführenden Gesellschafter der GbR, Gregor Gilbers, jedoch aufgrund von Rückständen in Höhe von vier Monatsmieten und weil sich der Mieter nicht an einer Einigung interessiert gezeigt habe.

„Wir haben mehrfach versucht, mit dem Eigentümer und Betreiber des ‚XO‘, der ‚Becker’s Genuss AG‘, und ihrem Vorstand Wolfgang Becker eine Vereinbarung zu treffen, um zu einer gemeinsamen Lösung zu gelangen. Unser Vorschlag wurde von Herrn Becker jedoch nicht angenommen, sodass wir uns gezwungen sahen, neben der fristlosen auch vorsorglich die ordentliche Kündigung zum 31. Dezember 2015 auszusprechen, um dem Mieter einen geordneten Rückzug zu ermöglichen“, so Gilbers.

Diese verbleibenden zwei, zum Zeitpunkt der Kündigung noch ausstehenden Mieten, wurden laut einer gemeinsamen Vereinbarung zwischen den Eigentümern und dem Betreiber des XO, der Becker’s Genuss AG, und deren Vorstand Wolfang Becker hinsichtlich einer Miete gestundet und hinsichtlich einer weiteren Miete erlassen, um den mehrmonatigen Beeinträchtigungen durch Umbau- und Ausbauarbeiten im Posthof Genüge zu tun.

Die schriftliche Fassung dieser Vereinbarung kam nicht zustande, da die Vermieter zunächst verlangt haben sollen, dass keine weitere Mietminderung mehr ausgebracht würde und zudem sämtliche Zahlen der Becker’s Genuss AG offengelegt werden. Hierzu war diese nicht bereit, was dazu führte, dass die schriftliche Form der Vereinbarung nicht erfolgte.

Über alle anderen Punkte herrschte Einigkeit. Das für Becker Überraschende an der Kündigung war der Umstand, dass ein 15-jähriger Mietvertrag vorlag.

Mit der Kündigung des Mietvertrages ist die Investition in die Räumlichkeiten und die Ausstattung des „XO“ in Höhe von 1,25 Millionen Euro laut Wolfgang Becker jetzt praktisch wertlos. Wirtschaftlich bewertet ergibt sich daraus eine negative Fortbestehensprognose für das Unternehmen. Dieses Ergebnis der Wirtschaftsprüfer zwingt Becker dazu, einen Insolvenzantrag zu stellen. So fordert es das Gesetz.

„Wir hatten ganz bewusst schon früh das Gespräch mit Wolfgang Becker gesucht“, erklärt Gregor Gilbers. Bereits für die Monate März und April seien die Miet- und Nebenkosten nicht gezahlt worden. Mehrfach sei Becker in dieser Zeit das Gespräch angeboten worden. Anfang Juni schließlich habe man die Kündigung anmahnen müssen. „Die Aussage von Herrn Becker, er sei ‚unerwartet‘ von der Kündigung getroffen worden, können wir deshalb nicht nachvollziehen“, sagt Gilbers.

Eine zwischenzeitliche Forderung nach einer Mietminderung kann der Vermieter nicht nachvollziehen. „Wir haben extra eine niedrigere Grundmiete veranschlagt, um den Mieter für die möglichen Beeinträchtigungen während der Bauphase zu entschädigen. Wie von dieser niedrigeren Miete noch eine Mietminderung verlangt werden sollte, erschließt sich uns nicht“, so Gilbers weiter.

Die niedrige Grundmiete, so Wolfgang Becker, wurde einzig und allein deswegen vereinbart, nachdem die Becker’s Genuss AG sämtliche Ausbauten inklusive Böden selbst vornehmen musste. „Wir haben einen Rohbau übernommen“. Die dann vereinbarte Miete entsprach dieser Ausbaustufe und war nicht niedrig in diesem Sinne, sondern angemessen.

Die unstreitig vorliegende Vereinbarung, die schriftlich nicht vollzogen wurde, geht auch von einer berechtigten Mietminderung in Form des Erlasses einer gesamten Monatsmiete aus. Soweit der Bodenaufbau über dem XO angeblich isoliert worden ist, müssten die Vermieter Gewährleistungsansprüche gegen die ausbauenden Firmen haben, da offensichtlich keinerlei Lärmexposition verhindert werden konnte. Bautechnisch ist es völlig unproblematisch, einen Restaurant- und Barbetrieb, der lange vor dem Hotel installiert war, zu trennen von einem Beherbergungsbetrieb. Technische Sachverständige haben Wolfang Becker bestätigt, dass die befestigten Musikboxen nicht das Problem darstellen, sondern die fehlende Schalldämmung oberhalb des Restaurant- und Barbereiches.

Ausgehend von diesen technischen Gegebenheiten hält es Wolfgang Becker für ausgeschlossen, dass in den Räumen im Posthof eine Restaurant- und Barnutzung überhaupt möglich ist beziehungsweise genehmigt werden kann.

Die Eröffnung des neuen 100-Betten-Hotels „Ibis Styles“ sollte zur weiteren Belebung des historischen Gebäudes beitragen. Was dem „XO“ von allen Akteuren zunächst als Chance verkauft wurde, entpuppte sich rasch als Sackgasse. Die Projektentwickler Gilbers & Baasch entschieden sich für zwei gegensätzliche Konzepte, die laut Becker nebeneinander nicht erfolgreich zu betreiben sind. Die ruhige Innenstadtlage eines Hotels und das „XO“-Konzept sowie beispielsweise eine attraktive Konzertreihe wie „Summer in the City“ bedienen unterschiedliche Bedürfnisse. Während die „XO“-Gäste am Wochenende auch nach 22 Uhr noch weiter Musik und Unterhaltungen genießen wollten, reklamierten Hotelgäste ihre versprochene Nachtruhe. Dieser Anspruch der Hotelgäste kam selbstverständlich nicht überraschend, zumindest nicht für Wolfgang Becker und sein Team.

Nun versucht Gilbers & Baasch einen Nachmieter für die jetzt vorbelasteten „XO“-Flächen gegenüber des Hotels zu finden. Die durch die Pionierarbeit von Becker gestiegenen Ansprüche der Gäste, beispielweise durch die Nachfrage an privaten Feierlichkeiten wie Hochzeiten im romantischen Innenhof oder die für Gastronomen oft so wichtigen Zusatzveranstaltungen kann für manchen potentiellen Betreiber ein Problem darstellen. Da bei solchen Events selbstverständlich auch Musik gespielt wird und dann die Ruhe der Hotelgästen nur schwer zu gewährleisten ist.

Wolfgang Becker ist daran gelegen, einem möglichen Nachnutzungskonzept nicht im Wege zu stehen und dieses zu befördern. „Der Posthof liegt uns nach wie vor am Herzen, er ist ein Schmuckstück für die Trierer City“, so Becker’s Genuss AG-Vorstand Wolfgang Becker.

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6 Kommentare

  1. Ich denke mal die Wahrheit wird irgendwo dazwichen liegen.
    Jetzt selbst veröffentlicht.
    http://www.posthof-trier.de/aktuell/einzelansicht/artikel/pressemitteilung-vom-02-september-2015/

    In einem Punkt scheint Herr Becker aber doch zu naiv gewesen zu sein. Die Eröffnung des Hotels jetzt in dieser Klasse bringt keine Gäste. Das sind Urlauber die in einem Garni-Hotel einfach nur übernachten aber gewiß keine Steaks für fünfzig Euro essen gehn.

    Da hat auch ein Sternekoch die Faxen von diesem Gedönskram dicke gehabt.
    http://www.focus.de/finanzen/karriere/perspektiven/berufe/berufswechsel-sternekoch-in-der-frittenbude_aid_305330.html

    Vielleicht wäre das Konzept in n anderen Großstadt auf gegangen, aber in so n Kleinstadt wie Trier ! Auch die Kritiken die man von Anfang an überall gelesen hat drehten sich z.B. meißt in erster Linie um’s Personal was wohl nicht mit dem anvisierten Profil mithalten konnte. Gut ausgebildetes Personal kostet eben, keine Frage aber das sind Sachen die gilt es vorher zu überlegen.

    Weg mit dem Chicki-Micki-Gedönskram, ordentliche Gerichte für wenige Euro, den Teller voll und jeder wäre zufrieden und alle würden auch noch was verdienen. so ähnlich wie es zu den besten Zeiten in der Kiste war, aber wie bekannt, leider den Bach hinunter gegangen ist.

  2. Wieso Pionierarbeit? Ich kann nichts Besonderes oder Bereicherndes erkennen. Da ja kaum jemand hinging, wird es auch kaum jemand vermissen. Ein unternehmerisches Fehl-Konzept. Nicht das Erste und sicherlich nicht das Letzte. Der Markt bereinigt die Situation. Fertig.

  3. Ich war heute am Kornmarkt und habe interessehalber mal in den Posthof geschaut, nix los gähnende Leere auf der Terrasse während am Kornmarkt alles brummte.
    Das Konzept vom Beckers scheint ja ambitioniert aber ich gehe doch lieber gut bürgerlich essen mit einem entsprechenden Preis – Leistungsvehältnis, wenn mich mal das Gourmet Fieber beschleicht gibts ja noch Luxemburg und das Elsass da kommt hier aus der Ecke eh niemand ran.

    Die Schickis und Mickis können sich ja jetzt auf das Brasilianische Restaqurant im ehemaligen Romikulum stürzen.

    Leider wurde hier auch ein ehemalig gut laufendes Restaurant und beliebter Biergarten in ein hochpreisiges etwas , das weder Terrasse noch Biergarten nutzt umgewandelt.

  4. ich geh in trier schon lang nicht mehr essen. plv passt meist nicht, service meist unterdurchschnittlich, viel schnöselvolk am start. da lob ich mir die guten adressen im hochwald, im tälchen oder an der saar.

  5. Ich finde das Ganze sehr schade ! Ich fand das Essen ausgezeichnet (!!!), die Preise angemessen (Steak für 50 Euro ist das teuerste gewesen und ein T-Bone in der Größe kostet nunmal so viel !), und das Personal sogar sehr kompetent. Keine Ahnung wieso da anderes behauptet wird. Egal welche Frage ich zu dem Essen hatte, habe immer kompetente Antwort erhalten. Mal ganz abgesehen vom wirklich schönen Ambiente. Was gefehlt hat, war Werbung. Alles im Allen finde ich es sehr schade, denn es war meiner Meinung nach das beste Fleisch der Stadt genauso, wie die besten Burger der Stadt…
    In diesem Sinne

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