Hilferuf: Sozialdiensten geht die Luft aus

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Pflegerin und Ältere mit Rollator
Christoph Schmidt/ dpa-Archiv

Einrichtungen und Initiativen zur Unterstützung von Bedürftigen bangen um ihr Überleben. Viele dieser Dienste seien seit Jahren unterfinanziert, sagte der Vorsitzende der Liga der Freien Wohlfahrtspflege Rheinland-Pfalz, Andreas Zels. «Wir haben die Sorge, dass sie still und leise verschwinden.» Besonders betroffen seien freie Initiativen ohne staatliche Förderung wie Kleiderkammern, Armutsprojekte oder Selbsthilfevereine. «Ihnen brechen in diesen Zeiten die Helfer und Spenden weg.»

Als Beispiel für die schwierige Situation vieler sozialer Dienste nannte Zels, der auch Geschäftsführer des Bezirksverband Rheinland der Arbeiterwohlfahrt ist, die Beschaffung von Schutzausrüstung für die oft körpernahe Betreuung etwa in der Hilfe für Menschen mit Behinderungen, für Wohnungslose oder misshandelte Kinder. Während Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen mit viel Mühe die benötigten Masken und Schutzkleidung erhielten, verfügten andere soziale Dienste gar nicht erst über die Zugangsstrukturen für solche Lieferungen. Völlig ungeklärt seien zudem die Kosten für solche dringend nötigen Beschaffungen. «Da ist jede soziale Einrichtung auf sich allein gestellt.»

Da jetzt auch Veranstaltungen wie Straßenfeste nicht mehr möglich sind, fehlt den sozialen Diensten eine wichtige Möglichkeit, um Spenden zu sammeln. Da gemeinnützige Vereine nur in geringem Umfang Rücklagen bilden dürften, fehle es jetzt vielfach an den nötigen Finanzmitteln, um Hilfs- und Beratungsangebote aufrechtzuerhalten, erklärte Zels.

Zwar hat der Bund einen Rettungsschirm für die sozialen Dienstleister aufgespannt, ein Sozialdienstleister-Einsatzgesetz (SodEG). Allerdings sollen damit nur Betriebsausgaben bis zu 75 Prozent abgesichert werden. Das sei für die nicht gewinnorientierten Dienste völlig unzureichend, kritisierte Zels. Schließlich sei der Eigenmittelanteil vieler sozialer Träger mittlerweile auf 30 bis 50 Prozent gestiegen. Auch fehle bislang noch die nötige Landesverordnung zur Umsetzung des Bundesgesetzes. Diese werde zurzeit vorbereitet, teilte eine Sprecherin des Sozialministeriums mit.

«Es gibt eine große Verunsicherung in der sozialen Landschaft», sagte Zels. «Den sozialen Diensten geht die Luft aus.»

Verstärkt wird diese angesichts der in Corona-Krise vielfach gestiegenen Not von Bedürftigen. Viele Kinder in Familien mit Grundsicherung (Hartz IV) seien in der Kita oder in der Schule zusätzlich mit Mahlzeiten versorgt worden, erklärt der Liga-Vorsitzende. «Das fällt jetzt komplett weg, weshalb die Familien zunehmend unter Druck stehen». Der finanzielle Rahmen für die Grundsicherung billige einem fünfjährigen Kind nur 88 Euro im Monat für Essen und Getränke zu. «Das sind keine drei Euro am Tag.»

«Die Corona-Krise deckt in aller Schonungslosigkeit die Lücken unserer sozialen Systeme auf», kritisierte Zels. Eine Konsequenz für die politische Arbeit nach der Krise sei es, die Bemühungen um die Einführung einer Kindergrundsicherung zu forcieren und die gesetzlichen Bestimmungen zur Grundsicherung zu überprüfen.

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