Laura Agramont hat ein Jahr als Freiwillige im Hofgut Serrig gearbeitet

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Foto: Bistum Trier

TRIER. „El Alto ist Chaos“, lacht Laura Agramont, angesprochen auf ihre bolivianische Heimatstadt. Noch einige Tage, dann wird die 24-Jährige in dieses geliebte „Chaos“ zurückkehren und dafür rund 15 Stunden im Flugzeug verbringen. Mit einem lachenden und einem weinenden Auge, wie sie sagt, denn ein Jahr lang hat Laura im beschaulichen Saarburg ein neues, ein zweites Zuhause gefunden. Während dieser Zeit hat die junge Bolivianerin gemeinsam mit elf weiteren jungen Frauen und Männern aus Ländern wie der Ukraine, Rumänien oder Ruanda im Bistum Trier einen Freiwilligendienst geleistet.

Neue Leute und eine fremde Kultur kennenlernen und sich zugleich sozial engagieren: Das ist eben nicht nur für junge Deutsche eine interessante Option nach der Schule oder während des Studiums, sondern auch für die so genannten „Reverse-Freiwilligen“, die mit Unterstützung durch die Sozialen Friedensdienste im Ausland (SoFiA) im Bistum Trier in sozialen Einrichtungen arbeiten. Einsatzstellen gibt es etwa in der Kinder- und Jugendarbeit, der Altenpflege, der Gemeinwesenarbeit oder in der Arbeit mit behinderten Menschen. Laura engagierte sich im Hofgut Serrig, wo 160 geistig und mehrfach behinderte Menschen leben und arbeiten. Die Einrichtung bietet Berufsausbildungen und Tätigkeiten in der Landwirtschaft, der Metzgerei, dem Hofgutladen oder in einer Metallwerkstatt, einer Korbflechterei oder einer Töpferei. In ihren Arbeitsalltag mit einer Gruppe habe sie sich sehr schnell eingefunden, erzählt sie. „Ich wurde so freundlich aufgenommen, obwohl ich die Sprache nicht kannte – alle redeten mit Händen und Füßen mit mir und waren sehr freundlich.“ Sie habe durch ihren Freiwilligendienst eine neue Perspektive auf ihr eigenes Leben und das, was ihr wichtig ist, gewonnen. „Was mir gleich auffiel: Die behinderten Menschen haben Freunde, eine Arbeit, sie leben ihr Leben trotz ihrer Einschränkungen. Und sie sind glücklich. Das hat mich sehr beeindruckt.“ Vor ihrem sozialen Jahr studierte Laura in La Paz Betriebswirtschaftslehre und hatte vor, einmal in einer Bank zu arbeiten. „Ich habe jetzt vielmehr den Wunsch, weiterhin nahe mit Menschen zusammenzuarbeiten und würde mich auch in meiner Heimat gerne für behinderte Menschen einsetzen.“ Diese, so erzählt Laura, hätten in Bolivien keine Möglichkeiten, arbeiten zu gehen oder ein weitgehend selbstständiges Leben zu führen.

Laura ist nicht die erste aus ihrer Familie, die ein freiwilliges Jahr in Deutschland absolvierte: Auch ihr jüngerer Bruder hat ein Jahr lang in Freiburg gelebt, teilweise zeitgleich mit Lauras Deutschland-Aufenthalt. „Natürlich habe ich meinen Bruder besucht und fand Freiburg sehr schön. Auch in Berlin und in Köln bin ich gewesen.“ Am meisten beeindruckt habe sie der Kölner Dom: „Er ist so riesig. Ich hätte ewig einfach nur nach oben schauen können – das ist schon faszinierend.“ Abgesehen von diesen Ausflügen verbachte Laura ihre Zeit in Saarburg, wo sie bei einem älteren Ehepaar in einem kleinen Appartement untergerbacht war. „Es hieß immer viel Laufen für mich, denn das Haus liegt oben auf dem Berg in der Nähe der Burg“, berichtet Laura.

An die deutsche Ordnungsliebe und Organisation habe sie sich erst einmal gewöhnen müssen: „Dass Busse nicht andauernd und nach festgelegten Plänen fahren, wie in El Alto, sondern wirklich weg sind, wenn du sie verpasst, und du dann eine Stunde warten musst – das war ungewohnt“, lacht die junge Frau mit den schwarzen Locken. Inzwischen habe sie aber gelernt, das wertzuschätzen. „Ein bisschen mehr davon würde meiner Heimat manchmal auch gut tun.“ Nicht nur die Mentalität und Kultur der Deutschen lernte Laura kennen, sondern auch für sie ganz ungewohnte Temperaturen: Ihre Heimatstadt El Alto liegt auf einer Hochebene in rund 4.000 Metern Höhe. „Als ich meine Eltern im Sommer angerufen habe, sagten sie, es sei ganz schön warm. Das waren dann gerade mal 18 Grad, während wir hier bei 37 Grad geschwitzt haben.“

Die Entscheidung, während ihres Studiums nach Deutschland zu gehen, fiel Laura nicht leicht, wollte sie doch möglichst früh die Uni beenden. Doch das Interesse an Deutschland, wo sie vielleicht ein Masterstudium aufsatteln möchte, war schon früh da. „Über meine Kirchengemeinde, wo ich in einer Jugendgruppe bin, hatte ich schon von SoFiA und der Partnerschaft mit dem Bistum Trier gehört. Zuerst habe ich das für mich ausgeschlossen, bis ich eine Woche vor Anmeldeschluss meinen Eltern davon erzählte. Sie waren total begeistert und sagten mir jede Unterstützung zu. Ich solle diese Chance nutzen.“ Das tat Laura, und nach einigen Vorbereitungskursen ging es dann für sie ins Bistum Trier. Vor allem mit vier weiteren Bolivianern, aber auch den anderen Freiwilligen, hat sie gute Kontakte und Freundschaften geknüpft. „Aber natürlich habe ich auch anfangs meine Familie sehr vermisst. Vor allem meine Oma, mit der wir zusammenleben.“ Es sei eine stärkende Erfahrung gewesen, zu erkennen, dass man diese Heimweh überwinden und sich auf sich selbst verlassen kann. Wenn Laura nun in ihr „geliebtes Chaos“ zurückkehrt, nimmt sie nicht nur ihre Erlebnisse, Freundschaften und Erfahrungen von ihrer Einsatzstelle mit, sondern auch ein neues Lieblingsessen. „Currywurst – die ist einfach super. Und die gehe ich heute auch nochmal zum Abschluss mit einer SoFiA-Mitarbeiterin essen“, lacht Laura, und macht sich ein letztes Mal auf in die Trierer Innenstadt.

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