MAINZ. «Nein heißt Nein» – dieser Grundsatz ist seit 2016 im Sexualstrafrecht verankert. Macht sich das in Rheinland-Pfalz bemerkbar? Die Reform hat zumindest nicht zu mehr Strafanzeigen geführt. Das erklärte das Justizministerium der Deutschen Presse-Agentur.
Für eine Verurteilung wegen eines sexuellen Übergriffs reicht es seit der Reform aus, wenn sich der Täter über den «erkennbaren Willen» des Opfers hinwegsetzt. In der Praxis gibt es laut Ministerium aber noch Schwierigkeiten mit der Auslegung und Handhabung der neuen Vorschriften. Tatsächlich sind die bisherigen Beweisschwierigkeiten nur verlagert. So war früher der Nachweis einer Nötigung schwer. Nun ist es insbesondere bei Übergriffen zwischen Partnern schwer zu beweisen, dass das Opfer wirklich «nein» gesagt hat.
Der Frauennotruf Mainz weist noch auf ein anderes Problem hin: Nach wir vor gebe es in einigen Köpfen Vorurteile. Eva Jochmann von der Anlaufstelle spricht von «Vergewaltigungsmythen». Damit sei die Haltung gemeint, dass eine Frau bei einem Übergriff eine Schuld habe oder Verantwortung dafür trage. «Wenn Frauen zu verstehen geben, dass sie keinen Geschlechtsverkehr haben wollen, dann gibt es kein Szenario, was rechtfertigt, dass das übergangen wird.»
Trotzdem gebe es immer wieder nicht nur Schuldzuweisungen von außen, sagt Jochmann. Auch vergewaltigte Frauen würden sich oft fragen, ob sie zumindest eine Teilverantwortung haben. Das sei eine große, oft länger andauernde Belastung für die Frauen. Sie müssten nicht nur im Kopf verstehen, dass sie keine Schuld treffe. Sie müssten gänzlich das Gefühl haben, nichts falsch gemacht zu haben.
Die Zahl der Sexualstraftaten in Rheinland-Pfalz ist im ersten Halbjahr 2018 leicht gestiegen. Das Landeskriminalamt (LKA) zählte von Januar bis Ende Juni 1414 Fälle. Das ist ein Anstieg um rund sechs Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Im ersten Halbjahr 2017 registrierten die Ermittler 1331 Fälle.
Zu Sexualstraftaten zählen sexuelle Belästigung, Vergewaltigung, sexuelle Nötigung, sexueller Missbrauch von Kindern und Jugendlichen, die Verbreitung von Pornoschriften und exhibitionistische Handlungen. Erfasst wird die Zahl abgeschlossener Ermittlungsverfahren, nicht die Zahl der Taten während des Zeitraums. Das LKA wies darauf hin, dass Werte von unter einem Jahr noch vorläufig seien.
Im vergangenen Jahr gab es in Rheinland-Pfalz nach Angaben des Ministeriums insgesamt 65 Verurteilungen nach dem neuen Recht. Im Jahr 2016 waren es 53 Verurteilungen. Unter anderem habe die Streichung des Paragrafen 179 des Strafgesetzbuches – der sexuelle Missbrauch widerstandsunfähiger Personen – zu dieser Verschiebung in der Statistik geführt.