„Geneelte Schong“ – Eine Reise durch die jüngere Geschichte Luxemburgs

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REGION. „Geneelte Schong“ nimmt die Leser auf eine Reise durch die jüngere Geschichte Luxemburgs, betrachtet im Rückblick auf die aufwachsende Yolande im Verbund ihrer weit verzweigten Verwandtschaft.

Mit dem Stichwort „Luxemburg“ verbinden Leser aus Deutschland Assoziationen an Jean-Claude Junker, Jean Pütz, internationale Verständigung und die friedliche Vernetzung der Völker Europas. De Waha führt uns aber aus einem ganz anderen Blickwinkel durch das Leben in Luxemburg, der deutschen Lesern unbekannt sein mag.

So zeigt sie an der Geschichte ihrer Familie die Auswirkung der deutschen Besatzung auf das Leben in dem kleinen Land mitten in Europa, der Vater ein Widerstandskämpfer, die jungen Männer zum deutschen Kriegsdienst zwangsverpflichtet. Ein Drittel der Einberufenen entzieht sich dem Einberufungsbefehl und lebt fortan in ständiger Gefahr für sich und die Landsleute, die sie versorgen. Die Übrigen kämpfen im Krieg der Besatzer, sterben oder kehren traumatisiert zurück.

Die tragischen Ereignisse hinterlassen tiefe Spuren in der Seele der Bevölkerung und geben den Grundton für die Nachkriegszeit in Luxemburg an. In dieses Szenario hinein wird Yolande geboren, und sie wächst auf in einer Zeit der Erinnerung an die vergangene Unterdrückung, das Unrecht, einer Zeit des Mangels, des Hungers. Luxemburg wirkt abgeschieden, und Yolande erfährt auch durch die Tätigkeit des Vaters als Förster sehr eng eine Nähe zur Natur und erlebt bei allen Sorgen der Erwachsenen unbeschwerte Momente.

Die Ärmlichkeit dieser Zeit wird – zumindest für Luxemburger – schon im Titel des Buches deutlich: „geneelte Schong“ heißt auf Deutsch „genagelte Schuhe“. Wikipedia klärt auf: „Für besseren ‚Griff’ und längere Haltbarkeit wurden die Schuhsohlen mit besonderen Schuhnägeln versehen.“ Wenn aber eine Erstklässlerin mit derartigen Knobelbechern zur Schule geschickt wird und sie damit das Parkett zerkratzt, wird nicht nur die Ärmlichkeit der Zeit, sondern auch die soziale Ausgrenzung deutlich, die die Protagonistin erfahren hat.

Bei allem Eindruck der Abgeschiedenheit ist Yolandes Familie, Nachfahren des belgischen Adels, mit belgischen und französischen Verwandten verbunden. Zur Zeit der belgischen Kolonien kamen Verwandte aus Afrika für längere Zeiträume zum „Heimaturlaub“ bei ihnen unter. Und in der Zeit der Krise zeigte die weitläufige Familie die Art von Zusammenhalt, den es braucht, um schwere Zeiten zu überstehen.

Das Buch ist auf Deutsch verfasst. Es verwundert aber nicht, dass es auch französische und luxemburgische Passagen enthält. Das ist völlig natürlich in diesem Land, ebenso wie die internationale Verzweigung der Familie. Und so wird doch eine Verbindung zwischen dem Luxemburg der bescheidenen Nachkriegszeit und dem internationalen Land der Gegenwart deutlich.

Yolande de Waha gelingt es, mit präziser Beobachtungsgabe aus dem Blickwinkel einer Heranwachsenden und ihrer Familie und den darin weiter lebenden Erzählungen, die Nachkriegszeit und frühere Perioden in Luxemburg zum Leben zu erwecken. Dabei ist ihre Verehrung der Sprache von Thomas Mann unverkennbar und schlägt sich in ihrem eigenen Erzählstil nieder, der sich nicht mit Minimalismus begnügt.

Das Buch ist mit Cover, Satz und „historischen“ Fotos ansprechend aufgemacht. Nach einer kurzen Eingewöhnung vermindert auch die eigenwillige Zeichensetzung des Verlags das Lesevergnügen nicht wesentlich.

Prof. Dr. Dr. h.c. Manfred Pienemann
Universität Paderborn

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